Tierwohl-Label Ein Siegel für ein besseres Schweineleben

Berlin · Beim Fleischkauf will so mancher Kunde wissen, wie es den Tieren mal ging. Darauf zielt die Agrarministerin mit einem Tierwohl-Label.

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Foto: SZ

Im Prinzip geht es um eine Art Fenster in den Stall. Wie viel Platz hatte das Schwein zu Lebzeiten? Hatte es Stroh um sich? Was zum Spielen, gegen die Langeweile? Wie ging es dann mit ihm weiter, bis zum Schlachthof? Solche Fragen will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) demnächst beantwortet wissen, denn sie sollen die Kriterien bilden für das neue Tierwohl-Label. Auf Verpackungen für Schweinefleisch und -wurst soll künftig eine Kennzeichnung erscheinen, damit Fleischkäufer im Supermarkt wissen, wie es um das Wohl der Tiere bestellt war. Geht es nach der Rheinland-Pfälzerin, soll es eben ein ganz besonderes Logo sein: Ein staatlich verbürgtes Siegel, dass es die Tiere einmal besser hatten, als es die Gesetze verlangen.

Nach jahrelangen Diskussionen und einem versandeten ersten Plan in der vorigen großen Koalition hat die Ministerin gestern konkrete Details auf den Tisch gelegt. Daran sollen Verbraucher ermessen können, ob ihnen Verbesserungen im Stall glaubwürdig erscheinen und mehr Geld beim Einkauf wert sind. Während Tierschützer bereits Sturm laufen, zeigt sich Klöckner zufrieden.

„Verbraucher sollen schnell erkennen können, wo mehr Tierwohl drinsteckt“, lautet Klöckners erstes Ziel. „Tierhalter sollen für ihre Mehrinvestitionen honoriert werden“, das zweite. Dafür soll im kommenden Jahr ein staatlich vergebenes „Tierwohlkennzeichen“ zunächst für Fleisch und Wurst von Schweinen in die Läden kommen. Vorgesehen sind drei Kennzeichnungsstufen mit jeweils steigenden Anforderungen – und höheren Preisen. Bauern können freiwillig mitmachen. Wollen sie mit dem Logo werben, müssen sie die Kriterien einhalten und sich auch regelmäßig kontrollieren lassen.

Konkret heißt „mehr Tierwohl“, dass höhere Standards im Schweineleben gelten. Dafür gibt es 13 Kriterien vom Ferkel-Dasein über die Lage im Stall und Tiertransporte bis zum Betäuben und Entbluten im Schlachthof. Beispiel Platz: Statt der verpflichtenden 0,75 Quadratmeter müssen Schweine bis 110 Kilo für Stufe 1 des Siegels 20 Prozent mehr Platz im Stall haben: 0,9 Quadratmeter. Für Stufe 2 sind es 1,1, für Stufe 3 dann 1,5 samt Auslauf. Tierschützer sind empört. Stufe 1 habe „PR-Charakter“, erklärt der Tierschutzbund. Mindestens 40 Prozent mehr Platz müssten da bereits her, verlangt der Umweltverband BUND. Das Label werte „das Fleisch von Schweinen aus schlechter Tierhaltung auf, statt Missstände zu beseitigen“, kritisiert Greenpeace.

Weitere Logo-Kriterien legen fest, dass es Beschäftigungsmaterial aus Heu, dazu Stroh und Sägespäne geben muss. Material-Vorschriften dafür gibt es laut Ministerium nicht, üblich sind aber Ketten oder Plastikbälle. Das soll Stress und Langeweile verringern und wiederum ermöglichen, öfter aufs Schwänzekürzen zu verzichten, das nur noch im Einzelfall überhaupt zulässig ist. Beim Tierwohl-Logo komplett tabu ist es aber erst in Stufe 2. Das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln soll beim Logo generell unzulässig sein, und zwar schon bevor 2021 ohnehin ein gesetzliches Verbot greift.

Kritiker stört auch, dass die Regeln nicht verbindlich sein sollen. Dass Bauern freiwillig mitmachen können, stößt auf breiten Protest. Klöckner müsse sich für strengere Gesetzesvorgaben einsetzen, damit alle und nicht nur wenige Tiere tiergerecht gehalten werden, fordert die Verbraucherorganisation Foodwatch. Klöckner argumentiert, man könne niemanden verpflichten, mehr zu tun als gesetzlich verlangt. Das sei beim ebenfalls freiwilligen Biosiegel ähnlich. Eine verpflichtende Kennzeichnung müsse zudem auf EU-Ebene geregelt werden, was aber lange dauere. „Man kann gerne die Taube auf dem Dach anbeten“, sagt Klöckner. Das helfe den Tieren aber nicht.

Statt auf Tauben setzt Klöckner auf Werbung, damit möglichst viele Viehhalter mitmachen. Wie viel teurer Fleisch für Kunden wird und wie viel davon verlässlich bei den Bauern ankommt, muss sich erst zeigen. Unabhängig von der Politik wollen mehrere Handelsketten schon im April mit einer eigenen Haltungsform-Kennzeichnung starten. Deren Stufe 1 beginnt allerdings schon mit dem gesetzlichen Standard.

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