Politischer Aschermittwoch der Bundesparteien Weniger deftig, aber nicht ohne Watschn

Passau/Vilshofen/Osterhofen · Beim politischen Aschermittwoch der Bundesparteien geht es um Europawahlkampf – und eine neue Ernsthaftigkeit.

 Keine Frau für „Flachwitze“: Katarina Barley, Europawahl-Spitzenkandidatin, beim SPD-Treffen in Vilshofen.

Keine Frau für „Flachwitze“: Katarina Barley, Europawahl-Spitzenkandidatin, beim SPD-Treffen in Vilshofen.

Foto: dpa/Daniel Karmann

An seinem hundertsten Jahrestag ist der politische Aschermittwoch auch nicht mehr das, was er früher einmal war. Das beginnt schon damit, dass bei der CSU in Passau zwei Politiker gleich lang reden, was unter Franz Josef Strauß und erst recht unter Edmund Stoiber nie passiert wäre. Und dass bei der SPD in Vilshofen drei Frauen den Wolferstetter Keller „rocken“, ist ebenfalls eine Premiere. Vor allem ist von der alten Deftigkeit heuer wenig zu spüren.

Einzig Markus Söder erinnert noch an vergangene Zeiten, aber auch nur an einer einzigen Stelle seiner 40-minütigen Rede in der Dreiländerhalle. Da klärt der neue CSU-Chef und Ministerpräsident in Bayern nämlich auf, warum er mit Drei-Tage-Bart gekommen ist. Am Vorabend hätten ihn Journalisten auf die Ähnlichkeit mit Grünen-Chef Robert Habeck hingewiesen, weil er nicht rasiert gewesen sei. Da habe er sich entschieden, den Bart noch einen Tag länger stehen zu lassen, denn: „So locker wie der sind wir schon lange, bloß wächst bei uns mehr.“ Ein echter Macho-Spruch.

In Vilshofen bei der SPD ist so was angesichts der geballten Frauenpower sowieso nicht angesagt. Landeschefin Natascha Kohnen hält eine wütende Einpeitsch-Rede für soziale Gerechtigkeit. Und Katarina Barley, als Stargast aus Berlin angereist, ist nicht wirklich bierzeltgeeignet; sie redet immer etwas linkisch. Außerdem grenzt sich die Justizministerin und Europa-Spitzenkandidatin der SPD gleich zu Beginn von den „Flachwitzen“ der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ab, wie sie es nennt. Dabei kann sie selbst nicht austeilen. Nun kann die SPD zum ersten Mal wieder im Wolferstetter Keller tagen, nicht mehr nur im Festzelt. Also an dem Ort, in dem die CSU einst den Mythos Aschermittwoch begründete.

Von diesem Mythos ist auch bei den Christsozialen kaum noch etwas übrig. Vor allem liegt das an Manfred Weber, der ebenfalls kein geborener Büttenredner ist. Außerdem findet er: „In diesen Zeiten ist auch der Ernst notwendig“. Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen zur Europawahl geht die Probleme durch: Brexit, Trump, die immer stärker werdenden Populisten. Markus Söder, der nach ihm spricht, ist zwar etwas unterhaltsamer, aber seit dem schlechten Ergebnis bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr auch deutlich bescheidener geworden. „Man kommt schneller nach unten, als man wieder rauf kommt“, sagt Söder und bittet um Zeit für sich und seine Regierung. „Es wird ein Marathon.“

Die CSU hat ihre Halle ganz in Blau gehalten, auf die Landesfarben erhebt sie weiter das Besitzrecht. Aus der engeren Parteiführung sind alle da – außer Horst Seehofer. Der langjährige Partei- und Regierungschef scheint ohne zentrale Rolle keine rechte Lust mehr auf die Veranstaltung zu haben. Bei der SPD ist die Deko Rot, auch das Kostüm von Stargast Barley.

Die beiden Groko-Parteien versuchen nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich Unterschiede zu markieren. Allerdings in gedämpfter Tonlage. So erinnert Barley Weber aus der Ferne daran, dass er in seiner konservativen Parteienfamilie EVP ein ungeklärtes Problem mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat. Söder wiederum attackiert die SPD im Gegenzug wegen der teuren Grundrente und ihrer anderen Sozialpläne. „Für den Tank ist das Zucker und für die Konjunktur Gift“, ruft er und fügt hinzu: „Einen Linksrutsch darf es nicht geben.“

Die eigentlichen Gegner der CSU sind neuerdings aber die Rechten. Weber erklärt: „Sie werden immer dreister und immer radikaler“ und spricht von „Dumpfbacken“. Die Populisten forderten Europa heraus und müssten bei der Europawahl im Mai zurückgedrängt werden. Söder, der einräumt, dass die CSU im letzten Europawahlkampf selbst auch nicht gerade klar pro-europäisch war, wendet sich direkt an AfD-Anhänger: „Kehrt zurück und lasst die Nazis in der AfD alleine.“

Die angesprochene Partei tagt parallel in Osterhofen in Niederbayern. Dort reagiert AfD-Chef Jörg Meuthen auf Weber und kritisiert den Umgang der EVP mit Orban. „Ich würde ihm den roten Teppich ausrollen“, ruft er mit Blick auf den umstrittenen Ungarn. Viele Lacher produziert bei der AfD Redner Guido Reil, Europakandidat und Ex-SPD-Mitglied. Was die AfD mache, wenn sie an der Macht sei, sei er gefragt worden. „Ist doch klar, wir überfallen Polen. Ja, guckt euch mal die Frauen da an.“ Johlen. Reil hat noch ein paar ähnliche Sprüche parat. „Was ich politisch will? Na, die Weltherrschaft. Schließlich bin ich ein Mann.“ Der 49-Jährige ist Steiger und einer der wenigen echten Arbeiter in der Politik. Er meint seine Sprüche als bitter-ironische Kritik an den Vorurteilen gegenüber der AfD. Einen Satz aber nicht. Die meisten kennten ja gar keine Intersexuellen, über die Kramp-Karrenbauer gewitzelt habe, sagt Reil. Er selbst auch nicht. Im Bundestag allerdings sehe das anders aus, wenn er nur an Merkel, Hofreiter, Nahles oder Kahrs denke. Wieder Lacher. Tiefer geht es dieses Jahr nirgendwo.

  CSU-Chef Markus Söder, zurzeit unrasiert, teilte in Passau aus, etwa gegen den grünen Bart-Träger Robert Habeck.

CSU-Chef Markus Söder, zurzeit unrasiert, teilte in Passau aus, etwa gegen den grünen Bart-Träger Robert Habeck.

Foto: dpa/Peter Kneffel
 AfD-Chef Jörg Meuthen servierte beim Treffen seiner Partei in Osterhofen einige Kritik an den etablierten Parteien.

AfD-Chef Jörg Meuthen servierte beim Treffen seiner Partei in Osterhofen einige Kritik an den etablierten Parteien.

Foto: dpa/Matthias Balk

Wenngleich es auch anderswo um Europa, deftige Sprüche und Kritik am politischen Gegner geht. Bei den Treffen der FDP, der Linken – und auch der Grünen. Partei-Chef Robert Habeck fordert die CDU-Chefin auf, sich für ihre Äußerung über die Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht in ihrer Büttenrede zu entschuldigen. Kramp-Karrenbauer sei eine nette Frau, sagt Habeck in Biberach. Aber sie habe ein bisschen zu viele Probleme mit zu viel bunt. Es sei immer billig, auf Minderheiten herumzureiten.

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