Teure Lieferungen Der „Paketboom“ setzt der Branche mächtig zu

Bonn · Die Deutschen bekommen immer mehr Päckchen. Für die Dienstleister ist vor allem die Lieferung direkt an die Haustür aufwendig. Deshalb wird dieser Service wohl bald extra kosten.

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Foto: SZ

Drei Mal warf ein Hermes-Bote ein Paket nach oben. Erst beim dritten Versuch landete es auf dem Balkon des Adressaten. Das Video war ein Twitter-Hit, danach verlor der Bote seinen Job. Einzelfall oder passendes Beispiel für Probleme bei der Paket-Zustellung? Fakt ist: Die Paketbranche bekommt den Druck des Wachstums zu spüren. Seit Jahren schon nimmt die Sendungsmenge zu. Waren es 2009 laut Branchenverband BIEK noch 1755 Millionen Pakete, so waren es 2017 bereits 2804 Millionen – ein Plus von rund 60 Prozent.

Die Paketdienste DPD und Hermes rechnen deshalb damit, dass Paketzustellungen direkt an die Haustür künftig standardmäßig teurer sind als Lieferungen an Paketshops oder Paketstationen. „Wir erwarten, dass sich die Haustürzustellung branchenweit zu einem höherpreisigen Premiumservice entwickelt“, sagte gestern ein Sprecher von DPD, der Deutschland-Tochter der französischen Post. Wettbewerber GLS hat einen ähnlichen Standpunkt. Teilweise haben die Firmen bereits in Verträgen mit Online-Händlern Preisunterschiede festgeschrieben, der Regelfall ist das aber nicht. Eine Sprecherin von Hermes sagte: „Wir müssen uns [...] überlegen, inwieweit eine Haustürzustellung als Standardleistung langfristig tragbar ist.“ Sie verwies auf Länder wie Schweden, wo diese Belieferung schon seit langem standardmäßig extra koste.

Denn: Die „letzte Meile“, also der letzte Abschnitt bis zur Paketübergabe – ist besonders zeitintensiv und teuer für die Dienstleister. „Auf der letzten Meile entstehen 50 Prozent der Kosten bei der Paketlieferung“, sagt der Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. „Da kann ein Paketdienstleister viel falsch machen – hier entscheidet sich, ob er Erfolg hat oder nicht.“

Die Dienstleister ärgern sich alle über Staus und Parkplatzmangel – entweder ihre Transporter müssen in der zweiten Reihe parken oder ihre Fahrer müssen weit laufen mit den Kartons im Gepäck. Dann öffnet häufig niemand die Tür. Also müssen sie beim Nachbarn oder anderswo ihr Glück versuchen. Das kostet Zeit und Geld.

Alle Paketdienstleister wollen ihre letzte Meile verbessern – ob Marktführer Deutsche Post DHL, Hermes, DPD oder GLS. Ihre Probleme sind ähnlich: Sie suchen händeringend Fahrer, um die steigende Nachfrage decken zu können. Die Arbeitsbelastung scheint so hoch wie der Beschwerdepegel. Immer wieder regen sich Kunden über Mängel auf. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter haben sie Fotos gepostet von absurden Benachrichtigungskarten an Empfänger, die beim Zustellversuch nicht zu Hause waren. Eine zum Beispiel ist irrtümlich gerichtet an einen „Herrn Amazon“. Ein anderes Bild zeigt den Hinweis, das Paket liege beim Nachbarn mit dem Namen „Keine Werbung“. Solche Fehler von Zustellern mögen Einzelbeispiele sein. Und doch sind sie Hinweis auf ein generelles Problem. Diesen Schluss legen auch die steigenden Paket-Beschwerdezahlen bei der Bundesnetzagentur nahe: 2017 waren es rund 2000 kritische Wortmeldungen, 2018 schon 4300. Pakete waren verspätet oder sie landeten woanders als gedacht.

Die wirtschaftliche Situation der Paketbranche ist angespannt, das verdeutlichen auch Probleme des Marktführers: Die Deutsche Post DHL musste im vergangenen Sommer eine Gewinnwarnung verkünden wegen Problemen im Brief- und Paketgeschäft. Heute stellt Post-Chef Frank Appel die Bilanz für 2018 vor – und dürfte sich auch zum Paketmarkt äußern. Wie die Wettbewerber auch setzt der Konzern auf umfassende Investitionen, etwa um das Paketshop-Netz auszubauen.

Auch darüber hinaus arbeitet die Branche mit Hochdruck an Innovationen, um die Situation auf der letzten Meile zu verbessern. So setzen die Firmen auf Paketkästen, wo Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten von Paketshops fündig werden – ob die DHL Packstation oder ParcelLock von DPD und Hermes. Im Trend sind zudem Mikro-Depots, kleine Sammelstellen in der Stadt, von wo aus Elektro-Lastenräder die Ladung weitertransportieren. Und der Logistik-Professor Schocke testet bald in Frankfurt mit Hermes eine Straßenbahn, die Pakete in die City fährt, wo sie auf Lastenräder umgeladen werden.

Für Entlastung auf der letzten Meile soll die Digitalisierung sorgen. Hier geht es um Echtzeit-Navis für optimierte Routen und die Möglichkeit für Empfänger, bessere Lieferzeitfenster und konkrete Zustelltage zu wählen – dann stünde der Paketbote seltener vor verschlossener Tür.

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