Maaßen und Seehofer Merkel und die üblichen Verdächtigen

Berlin · Die Kanzlerin wird von Seehofer und Maaßen übergangen – mal wieder. Noch bleibt sie ruhig. Aber die Uhr tickt für einen Widersacher.

 Kanzlerin Merkel hat es in der Chemnitz-Affäre gleich mit zwei Widersachern zu tun: Verfassungsschutz-Chef Maaßen und Innenminister Seehofer.

Kanzlerin Merkel hat es in der Chemnitz-Affäre gleich mit zwei Widersachern zu tun: Verfassungsschutz-Chef Maaßen und Innenminister Seehofer.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Frage: „Warum hat der Bundesinnenminister die Bundeskanzlerin nicht informiert?“ Antwort der Sprecherin von Horst Seehofer: „Er wurde nicht aus dem Kanzleramt gefragt.“ Nächste Frage: „Wie kann die Kanzlerin fragen, wenn sie von diesen Vorgängen keine Kenntnis hat?“ Antwort: „Ich kann weiter nichts dazu sagen.“ So war gestern der Ablauf in der Bundespressekonferenz. Angela Merkel, Horst Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen – offenbar ziemlich beste Feinde.

Maaßen kam gestern Morgen Seehofers Aufforderung nach und reichte einen Bericht zu den Vorfällen in Chemnitz ein. Auch dem Kanzleramt wurde das Papier zugeleitet. Nun wird es ausgewertet – und soll möglichst bis morgen unter Verschluss gehalten werden, wenn Maaßen dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages und dem Innenausschuss Rede und Antwort stehen muss.

Maaßen hatte vergangene Woche gesagt, er teile die Skepsis gegenüber Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz. Zudem sprach er von „guten Gründen“, die dafür sprächen, dass ein Video über Angriffe auf Migranten „gezielte Falschinformation“ sei. Dass Maaßen dafür keine Belege vorlegte, sorgte für Empörung. Und nicht nur das: Kanzlerin Angela Merkel hatte vorher erneut ihre gegenteilige Einschätzung bekräftigt. Ein Affront des Behördenchefs gegenüber Merkel. Freilich mit Billigung des Innenministers.

„Er hat uns, das Innenministerium und auch mich persönlich informiert, dass er Zweifel hat“, ließ Seehofer wissen. Aber eben nicht Merkel. Er habe auch nichts dagegen gehabt, dass Maaßen „damit in die Öffentlichkeit gegangen ist“, ergänzte Seehofer. Verwunderlich ist das nicht. Zwar beteuert der Minister immer wieder, wie gut seine Zusammenarbeit mit der Kanzlerin ist. Doch in Wahrheit lässt der CSU-Chef keine Gelegenheit aus, die CDU-Chefin zu attackieren. Auch in diesem Fall hält sich in Berlin hartnäckig das Gerücht, Seehofer habe sie mit Absicht auflaufen lassen. Auch Maaßen gilt nicht als Freund der Flüchtlingspolitik Merkels.

Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich nicht zu solchen Fragen äußern. „Es ist dazu alles gesagt von dieser Stelle.“ Ob die Kanzlerin morgen bei der Generalaussprache im Bundestag zu den Vorgängen Stellung nehmen werde, ließ Seibert ebenfalls offen. Fakt ist: Angela Merkel hat ein dickes Fell, aber sie vergisst nicht. Zwischen ihr und Seehofer ging es immer um die Deutungshoheit in der Flüchtlingspolitik und damit um die grundsätzliche Ausrichtung. Das Verhältnis ist zerrüttet. Vertraute der Kanzlerin betonen, Merkel habe sich auferlegt, die bayerische Landtagswahl Mitte Oktober abzuwarten. Derzeit steht es in den Umfragen schlecht um die CSU. Am Ende könnte der Verlust der absoluten Mehrheit dafür sorgen, dass sich die Personalie Seehofer von selbst erledige.

Auch nach Ansicht des Politikforschers Albrecht von Lucke hat Merkel keine andere Wahl als abzuwarten. „Ihr sind die Hände gebunden“, so von Lucke zu unserer Redaktion. „Entlässt sie Seehofer, kündigt ihr die CSU und die Koalition ist am Ende.“ Damit hätte der CSU-Chef dann „einen Abgang als Held aller Merkel-Gegner“. Das kann die Regierungschefin nicht wollen. Merkel war allerdings auch nie die Basta-Kanzlerin. Wie groß ihr Unmut über Maaßen ist, zeigte sich darin, dass Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Behördenchef hart ins Gericht ging. Sie sprach von einem „gravierenden Vorgang“, schließlich habe Maaßen „auch maßgeblich eine öffentliche Debatte beeinflusst“. Ohne Zustimmung der CDU-Chefin würde sich Kramp-Karrenbauer nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Die Uhr tickt also für den Geheimdienstler.

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