Liberaler schlägt Populisten haushoch

Den Haag · Die Niederlande haben dem Rechtspopulisten Wilders einen Dämpfer verpasst. Trotzdem sehen Experten noch keine Entwarnung für Europa.

 Rechtspopulist Geert Wilders (r.) gratuliert dem alten und neuen Ministerpräsidenten Mark Rutte (l.) in Den Haag zum Wahlsieg. Foto: Reinhardt/dpa

Rechtspopulist Geert Wilders (r.) gratuliert dem alten und neuen Ministerpräsidenten Mark Rutte (l.) in Den Haag zum Wahlsieg. Foto: Reinhardt/dpa

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"Was für ein Abend!" Mark Rutte spricht langsam, als wolle er jedes dieser Worte genießen. Es ist bereits nach Mitternacht am Donnerstagmorgen. Der Premierminister hat einen Wahlsieg eingefahren, den ihm niemand zugetraut hat. 32 der 150 Sitze kann der Chef der rechtsliberalen Regierungspartei im künftigen Parlament beanspruchen. "Ein Fest für die Demokratie", ruft Rutte seinen Anhängern zu. "Noch nie ist eine Wahlniederlage so sehr gefeiert worden", sagte dagegen Professor Frieso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande Studien an der Universität Münster, am Tag danach in einem Rundfunkinterview. Aber niemand will etwas davon hören, das auch Rutte rund fünf Prozent verloren hat. Es zählt nur eines: Der erfolgreichste Liberale Europas konnte seinen Herausforderer Geert Wilders nicht nur in Schach halten, sondern auch noch haushoch schlagen.

19 Sitze entfallen auf die rechtspopulistische Partei PVV - genauso viel wie auf die Christdemokraten und die linksliberalen "Democraten 66". Dass Wilders sogar noch gut drei Prozent zugelegt hat, geht im Freudentaumel all derer unter, die ihn verhindern konnten. "Da sind nicht die 30 Sitze, auf die ich gehofft habe", räumte Wilders in der Nacht seine Niederlage ein. "Rutte ist mich noch lange nicht los." Man sollte das nicht überhören, denn Wilders hat nicht verloren, sondern lediglich nicht gewonnen. Der niederländische Wähler hat gesprochen und die Demokratie in Europa sogar mit einem ganz und gar unbekannten Instrument bereichert: den Stembusstamper, einen Wahlurnen-stampfer. 81 Prozent der 13 Millionen Stimmberechtigten gingen an die Urnen. In einigen Lokalen liefen die Urnen über, so dass man tatsächlich die bereits abgegebenen Stimmzettel zusammen stampfen musste, um Platz für Weitere zu machen. Auf mehr als jedem fünften Zettel war der Name Mark Rutte angekreuzt. Dabei hat der smarte niederländische Premier, der jetzt in die dritte Amtszeit geht, sein Volk wohl erst am vergangenen Wochenende überzeugt. "Er machte deutlich: Ich lasse mich nicht erpressen, will aber auch keinen Konflikt weiter eskalieren lassen", beschrieb Wielanga den öffentlichen Eindruck, den viele Niederländer hatten. Ein Art Erdogan-Effekt, der dem Premier einen Achtungserfolg verschaffte, gerade weil er sich nach dem Rauswurf der beiden türkischen Minister aus dem Land auch um ein Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Binali Yildirim bemühte.

Während die Sozialdemokraten von 25 auf knapp sieben Prozent regelrecht abstürzten, explodierte die geballte Macht der Grünen. Ihr Spitzenkandidat Jesse Klaver kann mit seinen Parteikollegen nun 14 Sitze in der Volksvertretung beanspruchen - bisher waren es gerade mal vier. Europa feiert den "zweiten Erfolg gegen Populisten seit der österreichischen Präsidentenwahl ", wie die europäischen Grünen jubelten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte ebenfalls in großer Herzlichkeit, die Kanzlerin telefonierte mit Rutte. Was nur wenige sagen, aber alle hoffen: Steht tatsächlich so etwas wie eine Götterdämmerung und somit das Ende der europäischen Populisten bevor?

Die Erleichterung über diesen gelungenen Start in das europäische Superwahljahr ist verständlich. Schließlich hatte Wilders sich keineswegs nur auf Parolen gegen Muslime und den Islam gestützt und Stimmung gegen Migranten jedweder Herkunft gemacht. Zum Schluss stellte er immer deutlicher die Möglichkeit eines Nexits in den Raum, also eines Ausstiegs der Niederlande aus der EU und dem Euro. "Das ist ein Votum für Europa und gegen die Extremisten", bilanzierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern den Wahlausgang. Der Luxemburger weiß, dass das, was am Mittwoch in den Niederlanden geschehen ist, noch zwei Mal funktionieren muss, ehe Brüssel wirklich aufatmen kann: Im April und Mai wählt Frankreich, im September gehen die Bundesbürger an die Urnen.

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