In Frankreich geht (fast) nichts mehr

Paris · Ein Ausstand der Eisenbahner nervt nicht nur Millionen Franzosen, sondern er kostet auch immer mehr Geld. Ein Aufstand im eigenen Linkslager gegen geplante Reformen bringt Präsident Hollande jetzt zusätzlich in Bedrängnis.

Frankreichs politische Führung steht vor einer schweren Probe: Seit über einer Woche streiken die Eisenbahner gegen eine Bahnreform und sorgen für Chaos. Die freischaffenden Künstler sind ebenfalls im Ausstand. Und nun schlägt Präsident François Hollande auch noch heftiger Gegenwind aus dem eigenen Lager entgegen: Dutzende sozialistische Abgeordnete rebellieren gegen geplante Wirtschaftsreformen, mit denen Hollande das kränkelnde Land aufrichten will.

"Ça suffit!" (Es reicht) fasste die Tageszeitung "Le Parisien" die Stimmung im Land zusammen. Seit die Gewerkschaften zu Streiks im Bahnverkehr aufgerufen haben, lautet das Motto "rien ne va plus" - nichts geht mehr. Der gesamtwirtschaftliche Schaden ist schon jetzt immens: Nach Angaben der Eisenbahngesellschaft SNCF handelt es sich um den teuersten Bahnstreik seit 2001. Mit der Aktion wehren sich die Eisenbahner gegen die Bahnreform , die seit gestern in der Pariser Nationalversammlung beraten wird. Danach sollen die SNCF und das staatliche Schienennetz RFF künftig - wie in Deutschland - unter einem Dach vereint werden. Die Gewerkschaften fürchten Stellenstreichungen und schlechtere Arbeitsbedingungen. Gegen staatliche Ausgabenkürzungen und Veränderungen ihres Status kämpfen auch die Mitarbeiter des Kulturbetriebs. Die "intermittents", wie Tontechniker, Beleuchter und Darsteller mit Zeitverträgen heißen, sorgen sich um ihre großzügigen Regelungen bei der Arbeitslosen- und Sozialversicherung und haben bereits mehrere Aufführungen platzen lassen. Nun könnten auch die großen Sommer-Festivals wie das weltberühmte Theaterfest von Avignon in Gefahr geraten.

Der Streik von "intermittents" und Eisenbahnern kommt inmitten der ohnehin schon hitzig geführten Debatte über die allgemeinen Sparbemühungen der Regierung. Um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, hat diese ein 50 Milliarden Euro-Sparprogramm aufgelegt. Gleichzeitig sollen die Unternehmen - im Gegenzug für neue Jobs - massiv entlastet werden.

Was in Brüssel und bei den EU-Partnern auf Zustimmung stößt, sorgt in Hollandes Linkslager für Missmut: Rund 100 sozialistische Abgeordnete haben eine regelrechte Revolte gegen die Sparbemühungen gestartet und fordern eine Änderung des unternehmerfreundlichen Kurses. So stark ist der Druck der "Rebellen", dass Premier Manuel Valls sich genötigt sah, einen flammenden Appell an die eigenen Genossen zu richten: Sich Reformen zu verschließen, könnte ins Verderben führen, erklärte er und fügte an: "Die Linke könnte sterben."

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