"Immer will ich das nicht machen"

Saarbrücken. Eines ist schon mal sicher: Mit den Piraten hält im Landtag eine extra frische Brise Einzug. Unkonventionell sind sie - und wollen es auch ausdrücklich bleiben. Kritiker freilich nennen das "naiv". Der neue Landtagsabgeordnete Michael Hilberer (32) kündigte gestern etwa an: "Einen Fraktionszwang wird es bei uns nicht geben

Saarbrücken. Eines ist schon mal sicher: Mit den Piraten hält im Landtag eine extra frische Brise Einzug. Unkonventionell sind sie - und wollen es auch ausdrücklich bleiben. Kritiker freilich nennen das "naiv". Der neue Landtagsabgeordnete Michael Hilberer (32) kündigte gestern etwa an: "Einen Fraktionszwang wird es bei uns nicht geben." Soll heißen: "Wenn einer von uns die Meinung der SPD vertritt, stimmt er dafür. Ein anderer könnte aber zugleich einer entgegengesetzten Position zustimmen." Der Software-Entwickler will ebenso wie seine drei Fraktionskollegen den Job vorübergehend an den Nagel hängen und Vollzeit-Abgeordneter werden. Allerdings, sagt Hilberer: "Immer will ich das nicht machen. Berufspolitiker laufen Gefahr, erpressbar zu sein."Matthias Schrade vom Bundesvorstand ist der erste Pirat, der gestern die Landespressekonferenz betritt. Und zwar weitgehend unbemerkt. Christoph Hartmann von der FDP ist gerade dabei, die Wahlniederlage seiner Partei in Worte zu fassen, da macht Schrade - in blauem T-Shirt und verwaschener Jeans - schon mal mit seinem Handy Fotos, wie's "da drin" so aussieht. Auf einem Tisch hat jemand Playmobil-Männchen mit Piratenkostümierung aufgestellt. Schrade sieht das, lacht in sich hinein und macht auch davon Fotos.

"Wir und viele unserer Wähler haben das Gefühl, dass die etablierten Parteien es versäumt haben, die Bürger mitzunehmen", erklärt Hilberer wenig später, nachdem er mit Jasmin Maurer (22), Andreas Augustin (32) und Michael Neyses (43) in der Landespressekonferenz Platz genommen hat. "Wir wollen die Basisdemokratie ins Parlament bringen", sagt Augustin. Sie fordern "mehr Bürgerbeteiligung". Hilberer räumt ein, dass "wir noch kein umfassendes Programm für die Schuldenbremse haben". Sicher sei nur: "Bei der Bildung darf nicht gespart werden." Aber er verspricht: "Wir werden uns entwickeln."

Die Landesvorsitzende Jasmin Maurer hat sich von dem Schwächeanfall, der sie am Wahlabend kurz vor 18 Uhr ereilt hatte, wieder erholt. "Das war keine Angst vor der eigenen Courage, sondern der Kreislauf", stellt sie klar. Nach ihren Angaben wird der Fraktionschef der Piraten "wahrscheinlich noch in dieser Woche benannt". Um dies und anderes zu besprechen, will sich die neue Landtagspartei am Abend in einem Lokal in Saarbrücken treffen. Allerdings, gesteht Augustin freimütig vor der Presse, "habe ich da noch niemanden erreicht, um einen Tisch zu reservieren".

 Die Piraten-Fraktion (von links): Michael Neyses, Michael Hilberer, Jasmin Maurer und Andreas Augustin vor dem Landtag. Foto: Becker&Bredel

Die Piraten-Fraktion (von links): Michael Neyses, Michael Hilberer, Jasmin Maurer und Andreas Augustin vor dem Landtag. Foto: Becker&Bredel

Die "etablierten" Parteien bezeichnen die Piraten gestern durchweg als "Phänomen", deren gesellschaftlichem Hintergrund man sich öffnen müsse. CDU-Fraktionschef Klaus Meiser sagt, was wohl viele seiner Parlamentskollegen denken: "Ich bin neugierig auf die Piraten, aber richtig beurteilen kann ich sie nicht." Vielleicht ändert sich das.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort