EU weist Vorwurf des Wortbruchs zurück

Istanbul/Brüssel · Erdogan gegen die EU – dieser Konflikt hat nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei neue Nahrung bekommen. Jetzt wirft der Präsident Brüssel vor, die Zusagen aus dem Flüchtlingspakt nicht einzuhalten.

 Tausende Anhänger von Recep Tayyip Erdogan wollen am Sonntag in Köln für den türkischen Präsidenten und seine Politik demonstrieren – so wie hier im Jahr 2014. Foto: Berg/dpa

Tausende Anhänger von Recep Tayyip Erdogan wollen am Sonntag in Köln für den türkischen Präsidenten und seine Politik demonstrieren – so wie hier im Jahr 2014. Foto: Berg/dpa

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Nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei gerät das Flüchtlingsabkommen mit der EU zunehmend ins Wanken. Brüssel widersprach gestern den Vorwürfen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan , Vereinbarungen in der Flüchtlingskrise nicht eingehalten zu haben. Rund 740 Millionen Euro an Hilfsgeldern seien bereits freigegeben, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. Bis Ende des Monats werde die Summe um 1,4 Milliarden auf rund 2,15 Milliarden Euro steigen.

In einem ARD-Interview hatte Erdogan der EU vorgeworfen, versprochene Zusagen nicht geleistet zu haben. "Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig", sagte der islamisch-konservative Politiker. So habe die EU der Türkei drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt. Bisher seien jedoch nur symbolische Summen eingetroffen. Konkret sprach er von ein bis zwei Millionen Euro.

Ebenso erneuerte Erdogan seine Forderung, die Todesstrafe wieder einzuführen. "Wenn wir uns in einem demokratischen Rechtsstaat befinden, hat das Volk das Sagen. Und das Volk, was sagt es heute? Sie wollen, dass die Todesstrafe wieder eingeführt wird", sagte er. Er argumentierte, nur in Europa gebe es keine Todesstrafe . "Ansonsten gibt es sie fast überall."

Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour kritisierte diese Erklärung als "bizarr". Er stellte klar: "Das ist einfach schlicht falsch. Es gibt eine Mehrheit der Staaten der internationalen Gemeinschaft, die die Todesstrafe vollkommen abgeschafft haben." Nouripour verlangte deutliche Worte der Bundesregierung an Ankara. "Es ist jetzt möglicherweise die letzte Möglichkeit, klar und deutlich zu sagen, was alles schief läuft in der Türkei, weil es demnächst möglicherweise eine Diktatur gibt, und da braucht man gar nicht mehr die Stimme zu erheben", sagte er dem ARD-"Morgenmagazin".

Die Union äußerte gestern Kritik an einer für Sonntag geplanten Demonstration von Erdogan-Anhängern in Köln. "Türkische Innenpolitik hat auf deutschem Boden nichts zu suchen", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dem "Spiegel". CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach brachte sogar ein Verbot der Demonstration ins Spiel: "Die Hürden für ein Versammlungsverbot sind bekanntlich sehr hoch", sagte er. "Aber wenn die zuständigen Behörden konkrete Erkenntnisse haben, dass es aus der geplanten Demo heraus zu Straf- oder gar Gewalttaten kommen sollte, sollten sie einen Verbotsantrag ernsthaft prüfen." Der Veranstalter, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten, rechnen laut Polizei mit bis zu 15 000 Teilnehmern.

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Hintergrund Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan wollen das zerrüttete Verhältnis der beiden Länder bei einem Treffen am 9. August in St. Petersburg wieder festigen. "Es ist das erste Treffen seit dem Zusammenbruch unserer Beziehungen. Es wird also mehr als genug Themen geben", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gestern. Die Türkei hatte Ende November 2015 ein russisches Militärflugzeug im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Putin hatte daraufhin ein für Dezember geplantes Treffen mit Erdogan abgesagt und umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei erlassen. Zuletzt hatte sich das bilaterale Verhältnis aber deutlich entspannt. dpa

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