Zeitumstellung soll 2021 abgeschafft werden EU-Parlament will das Drehen an der Uhr beenden

Straßburg · Dunklere Vormittage im Winter oder kürzere Abende im Sommer – eines der beiden Szenarien wird Realität, wenn die Zeitumstellung in der EU wegfällt.

 Die Zeit für die Zeitumstellung läuft ab.

Die Zeit für die Zeitumstellung läuft ab.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Würde schon dieses Jahr die ewige Sommerzeit gelten, ginge in Frankfurt am Main am kürzesten Tag des Jahres, am 22. Dezember, die Sonne erst um etwa 9.20 Uhr auf. Davor: Dunkelheit und Dämmerung. Bei einer ewigen Winterzeit hingegen verschwände die Sonne am längsten Tag des Jahres, dem 21. Juni, schon etwa um 20.40 Uhr hinterm Horizont statt um zwanzig vor zehn. Das würde bedeuten: Schluss mit den langen lauen Sommerabenden in der Main-Metropole.

Ob jeder, der sich leidenschaftlich über das halbjährliche Drehen an der Uhr aufregt, das bedacht hat? Egal wie: Der europäische Entscheidungsprozess ist gestern einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Das EU-Parlament in Straßburg sprach sich mit großer Mehrheit dafür aus, die Zeitumstellung im Jahr 2021 abzuschaffen. Die Entscheidung darüber, ob danach die Sommer- oder die Winterzeit gelten soll, sollen nach dem Willen der Abgeordneten die Mitgliedstaaten treffen können.

Damit das Ende des Hin und Hers aber tatsächlich kommen kann, müssen sich die Mitgliedstaaten überhaupt erst einmal auf eine gemeinsame Linie einigen. Das dürfte nicht vor dem Sommer passieren. Anschließend müssen Parlament und EU-Staaten einen Kompromiss finden – damit wird nicht vor Herbst gerechnet. Doch wieso diskutiert man in der EU jetzt überhaupt über die Abschaffung der Zeitumstellung?

Der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit ruft schon seit langem viele Gegner auf den Plan. Seit 1996 werden in der Europäischen Union am letzten Sonntag im März sowie am letzten Sonntag im Oktober die Uhren jeweils eine Stunde umgestellt. In Deutschland gibt es die Sommerzeit schon seit 1980.

Ursprünglich sollte dank einer besseren Ausnutzung des Tageslichts Energie gespart werden – doch der wirtschaftliche Nutzen ist heute äußerst umstritten. Außerdem legen wissenschaftliche Erkenntnisse nahe, dass manche Menschen gesundheitlich unter einem Mini-Jetlag leiden. Auch Tieren fällt es schwer, sich immer wieder auf einen geänderten Tagesrhythmus einzustellen.

Schließlich startete die EU-Kommission im vergangenen Jahr eine europaweite Online-Befragung zur Zeitumstellung. Die Resonanz war im Vergleich zu anderen EU-Bürgerkonsultationen riesig. 4,6 Millionen Menschen nahmen teil, allein rund drei Millionen von ihnen kamen aus Deutschland. Das Ergebnis: 84 Prozent der Teilnehmer forderten die Abschaffung der Zeitumstellung – und das auch in Ländern, in denen das recht drastische Auswirkungen hätte.

In Mitteleuropa gibt es im Moment eine große Zeitzone von Polen bis Spanien, zu der Deutschland und 16 weitere EU-Länder gehören. Käme für alle diese 17 Staaten die dauerhafte Sommerzeit, hieße das für den Westen Spaniens Dunkelheit bis kurz nach zehn Uhr. Trotzdem stimmten 93 Prozent der Umfrage-Teilnehmer aus Spanien für ein Ende der Zeitumstellung. Bei einer durchgehenden Winterzeit würde es in Warschau im Sommer schon gegen 3.15 Uhr hell – doch auch in Polen waren die Umstellungsgegner mit 95 Prozent eindeutig in der Mehrheit.

Die EU-Kommission reagierte und schlug vor, bereits 2019 das halbjährliche Drehen an der Uhr abzuschaffen. Stattdessen solle jeder Staat selbst entscheiden können, ob er dauerhaft Sommer- oder Winterzeit will. Doch die zuständigen EU-Verkehrsminister sperrten sich gegen ein so schnelles Ende der Regelung. Frühestens 2021 solle es so weit sein, befanden sie unlängst. Sonst drohe ein unübersichtlicher Flickenteppich aus verschiedenen Zeiten in der EU.

Auch im EU-Parlament herrschte Sorge vor einem Zeiten-Chaos in der EU. „Es wäre misslich, wenn man bei einer Fahrt von Norddeutschland über die Niederlande und Belgien nach Frankreich dreimal die Uhr umstellen muss“, erklärten kürzlich die CDU-Abgeordneten Peter Liese und Dieter Koch in einer gemeinsamen Mitteilung, die sich beide für ein Ende der Zeitumstellung in der EU aussprechen.

Um den gefürchteten Flickenteppich zu vermeiden, schlägt das Europaparlament jetzt einen „Koordinierungsmechanismus“ vor, in dem Vertreter von Kommission und Mitgliedstaaten sitzen sollen. Er soll eine möglichst einheitliche Regelung in den Mitgliedstaaten hervorbringen.

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