Eine perfekte Bilanz - und ein Spielverderber

London. "Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!" Die Olympischen Spiele in London war allen Unken-Rufen zum Trotz ein großartiger Erfolg für Großbritannien: hervorragende Organisation, eine wundervolle Atmosphäre für Athleten und Zuschauer, voll von sportlichen Höhepunkten und glänzender Unterhaltung

London. "Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!" Die Olympischen Spiele in London war allen Unken-Rufen zum Trotz ein großartiger Erfolg für Großbritannien: hervorragende Organisation, eine wundervolle Atmosphäre für Athleten und Zuschauer, voll von sportlichen Höhepunkten und glänzender Unterhaltung. Allein der PR-Faktor rechtfertigt die Ausgaben, die irgendwo zwischen 12,5 und 18 Milliarden Euro liegen. Vergangenen Sommer erinnerten die brennende und geplünderte Metropole und der hasserfüllte Mob die Welt an eine Kriegszone. Genau ein Jahr später herrschte eitel Sonnenschein. Das befürchtete Verkehrschaos blieb aus. Die U-Bahnen rollten besser als in normalen Zeiten. Und selbst die scharf kritisierte "Militarisierung" durch 13 000 Soldaten, die in letzter Minute für die Pleite der Sicherheitsfirma einspringen mussten, wurde zum Bonus. Die jungen Männer und Frauen in ihre lässigen Tarnflecken waren mit das beliebteste Fotoobjekt für die olympischen Touristen.Es waren im wahren Sinne des Wortes goldene Tage für das Königreich - nicht allein dank des unglaublichen Medaillenregens. In den Zeremonien zu Anfang und Ende und im Rahmenprogramm beeindruckte "London 2012" durch eine "Very-British"-Mischung aus Stil, Kreativität, Humor, Kitsch, Tradition, Pop und High-Tech.

Zum Schluss wurde die Freude jedoch durch den Einbruch der Realität gestört. Der Gouverneur der "Bank of England" dämpfte Premierminister David Camerons Euphorie über den Geldsegen, den die Spiele bringen werden, mit einer fast Null-Prognose für das Wirtschaftswachstum. "Im Gegensatz zu den Olympioniken, die uns in den letzten Wochen so sehr begeisterten", sagte Mervyn King, "ist unsere Wirtschaft noch nicht voll fit." Und gleichzeitig kam noch die Meldung über die schlechteste Außenhandelsbilanz seit 15 Jahren.

Aber Olympische Spiele sind eben auch der Platz für leere Fensterreden für Politiker und Funktionäre. Während die Floskeln von Frieden und Freundschaft unter der Olympischen Flamme wiedergekaut werden, brennt in Syrien die Stadt Aleppo und britische Soldaten warten auf ihren Einsatz in Afghanistan. So mancher mag da zu dem Schluss kommen, es wäre vielleicht an der Zeit, einmal Olympische Spiele abzuhalten, die nicht mehr und nicht weniger sind als ein großes Sportereignis, frei von Bombast und Brimborium. Für Londons Image hätte es nicht der teuren Eröffnungs- und Schlussveranstaltungen bedurft. Wenn die Queen mit Fußballstar David Beckham und Beatles-Legende Paul McCartney im Doppeldeckerbus durch London zum Stadion gekommen wäre anstatt in einem vorproduzierten Streifen mit James-Bond-Darsteller Daniel Craig per Hubschrauber, wäre das ebenso wirkungsvoll, aber weitaus billiger gewesen. bbr

Foto: kitwood/afp

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