Dichter und Denker schüren Deutschenhass

Athen · Zunächst waren es ätzende Kommentare und Karikaturen, mit denen die Griechen ihrer Wut über Deutschland Ausdruck verliehen. Vieles davon war oberflächlich. Jetzt geht der Deutschenhass tiefer.

Michalis Psylos (54) sieht mit seinem Bubi-Gesicht überhaupt nicht aus wie einer, den etwas schnell auf die Palme bringen kann. Geht es aber um die harte Haltung Berlins gegenüber Griechenland , seit Anfang 2010 unangefochten das Epizentrum der Euro-Krise, fährt er rasch schweres Geschütz auf. "Deutschland hat im vorigen Jahrhundert zwei Weltkriege begonnen - und hat beide verloren", sagt er. Seine Augen funkeln dabei. Mit Beginn der Euro-Krise hätten die Eliten in Berlin einen Wirtschaftskrieg in ganz Europa angezettelt. "Was die Deutschen mit den Panzern der Wehrmacht nicht erreichen konnten, wollen sie nun durch die von ihnen verordnete Austeritätspolitik (Sparpolitik) in den Krisenländern erreichen. Ihr Ziel ist es, alle übrigen Länder Europas in unterwürfige deutsche Provinzen zu verwandeln." Seit Wochen tourt Psylos, der bei der Nachrichten-Agentur ANA arbeitet, durchs ganze Land, um sein Buch vorzustellen. Ob auf Kreta, oder in Athen - das Publikum hört ihm aufmerksam zu.

Fakt ist: Vor der desaströsen Krise waren die Deutschen das Lieblingsvolk der Griechen. Doch im Zuge des Spardiktats brach in Griechenland plötzlich eine neuerliche Deutschenfeindlichkeit aus. Anfang 2012 waren in einer Umfrage über drei Viertel der Meinung, Deutschland sei ihnen feindlich gesinnt. Auf die Frage, was sie mit Deutschland assoziieren würden, nannte jeder dritte Befragte Wörter wie "Hitler", "Nazismus" oder "Drittes Reich".

Bis zum vorläufigen Höhepunkt der deutsch-griechischen Dissonanzen im Frühjahr 2012 brachten vor allem einheimische Kommentatoren und Karikaturisten die Gefühlslage der meisten Griechen gegenüber den Deutschen medial zum Ausdruck. Unermüdlich steckten Karikaturisten Angela Merkel in finster anmutende Uniformen, setzten sie in Panzer und ließen sie griechische Buben erschrecken. Die schlimmere Variante: Merkel mit Lederpeitsche und Hakenkreuzbinde.

Dieser spontane, laute Wutausbruch, diese zugleich aber eher oberflächliche, reißerische und plakative Betrachtungsweise ist zwar längst verpufft. Wer aber glaubt, der Antigermanismus sei verstummt oder gar verschwunden, irrt gewaltig. Der Deutschenhass hat in Griechenland eine neue Stufe erreicht. Es ist Deutschenfeindlichkeit 2.0, die in Athen herrscht. Dem anfänglichen Getöse der Presse sind tiefer gehende Analysen gefolgt. Es sind nun die griechischen Dichter und Denker, die Deutschland unter die Lupe nehmen. Sie tun dies leiser. Sie tun dies aber auch ausführlicher, subtiler und letztlich effizienter. Und ihr Urteil fällt ebenso niederschmetternd aus. Schon die Titel ihrer Hunderte Seiten langen Werke sind unmissverständlich: "Die Rückkehr des Reichs", "Aufstieg und Fall des deutschen Europas" oder "Das deutsche Syndrom". Sie alle kultivieren mehr oder minder nur noch ein Feindbild: den bösen Deutschen, der in Athen ein "Viertes Reich" errichten will. Die Folge: Der Antigermanismus hat sich jetzt in den eigentlich klügsten Köpfen eingenistet.

Einer der wenigen, der sich dem öffentlich mit Vehemenz widersetzt, ist der Athener Schriftsteller und Unternehmer Spyros Vletsas. Die Griechen hätten ein Syndrom der kollektiven Unsicherheit. Das führe unweigerlich dazu, dass sie hinter jedem Misserfolg eine Verschwörung des Auslands sehen. "Auch wenn die Fehler offensichtlich bei den Griechen selbst liegen, sehen sie viele Feinde, die Griechenland auslöschen und das griechische Volk erniedrigen wollen." Keine Frage, wer aktuell der Feind Nummer eins für die Griechen ist: Deutschland .

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