Cher Guido stellt sich vor

Paris/Den Haag. Roter Teppich, Ehrenformation, Motorrad-Eskorte, abgesperrte Autobahnen - Guido Westerwelle ist da, wo er immer hin wollte. Außenminister, Vizekanzler. Mit der "Theodor Heuss" fliegt er jetzt die wichtigsten Hauptstädte ab zum Antrittsbesuch. Samstag Warschau, Montag Den Haag und Paris, Dienstag Luxemburg und Brüssel, Mittwoch Washington. Das volle Programm

Paris/Den Haag. Roter Teppich, Ehrenformation, Motorrad-Eskorte, abgesperrte Autobahnen - Guido Westerwelle ist da, wo er immer hin wollte. Außenminister, Vizekanzler. Mit der "Theodor Heuss" fliegt er jetzt die wichtigsten Hauptstädte ab zum Antrittsbesuch. Samstag Warschau, Montag Den Haag und Paris, Dienstag Luxemburg und Brüssel, Mittwoch Washington. Das volle Programm. Aber der 47-jährige FDP-Chef gibt nicht den Zampano. Vorsichtig und bescheiden führt er sich auf dem internationalen Parkett ein. Es ist die - gefühlt - zehnte Häutung des Liberalen. Spaßkandidat, Medienversessener, Einpeitscher, alles ist er schon gewesen. Und jetzt Deutschlands oberster Diplomat. Mit seinem großen Vorbild Hans-Dietrich Genscher hat er vor seinen Antrittsreisen telefoniert und die Entscheidung getroffen, erst nach Warschau zu reisen und dann nach Den Haag. Der sensiblen deutsch-polnischen Beziehungen wegen. Und was die Niederlande angeht, weil "die EU keine Veranstaltung nur der großen Staaten ist". Das jedenfalls habe er von Genscher und Helmut Kohl gelernt. "Das soll mein Maßstab sein." Die Franzosen, beeilt er sich sogleich zu ergänzen, hätten mit dieser Reihenfolge überhaupt kein Problem. Manches wirkt noch etwas linkisch. Zum Beispiel, wie oft Westerwelle betont, mit wem er in den wenigen Tagen seiner Amtszeit schon alles geredet oder telefoniert hat, von Liebermann bis Clinton. Und im prunkvollen Salle d'horloges im französischen Außenministerium bemerkt Westerwelle sogleich, dass es "schon etwas Besonderes ist, in so einem Saal eine Pressekonferenz zu geben". Ein bisschen wie Alice im Wunderland. Immerhin, man duzt sich, der holländische Außenminister Maxime (Verhagen) und Guido, aber einmal sagt Maxime aus Versehen "Guido Wester". Während Verhagen ständig Blickkontakt sucht, konzentriert sich Westerwelle ständig auf seine nächste Antwort. Auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner duzt den Gast aus Deutschland. Kouchner scheint ganz in seinem Element, wenn 20 Kameras an sind und beginnt mit schwingender Brille zu dozieren. Westerwelle aber sucht die Hilfe vom Blatt. Überkonzentriert wirkt Westerwelle, bei jedem Schritt darauf bedacht, nur keinen Fehler zu machen. Seine Antworten fallen wiederholt sehr kurz aus. Zu den israelischen Siedlungen im Westjordanland etwa, wo er erst mit Hillary Clinton reden möchte, "vorher will ich dazu nichts sagen". Will nicht oder kann nicht? Sein neues Ministerium jedenfalls hat ihn mit Papieren "druckbetankt", außerdem beschäftigt sich Westerwelle nicht erst seit seiner Ernennung mit Außenpolitik. Es ist wohl mehr Vorsicht. Als er im Flugzeug nach hinten zu den Journalisten kommt, lässt er sein Jackett zugeknöpft. Dabei liefern diese Gelegenheiten seit Urzeiten Bilder von hemdsärmeligen Politikern auf anstrengender Dienstreise. Aber Westerwelle macht daraus einen offiziösen Termin. Jeden Satz abwägend, keine Scherze, und dann, zur totalen Absicherung, wird auch noch alles Gesagte für vertraulich erklärt. Inhaltlich Neues kann man von solchen Antrittsbesuchen kaum erwarten. Es geht um die Inthronisierung und Initialisierung eines "Newcomers". Die europäischen Partner spielen freundlich mit. In Paris stellt sich sogar der Staatspräsident Nicolas Sarkozy persönlich zur Verfügung. Foto nebst halbstündigem Gesprächstermin. Das sind schon die höheren Weihen. Westerwelle initialisiert auch etwas, nämlich die "neue deutsche Bundesregierung". Diesen Begriff verwendet er gegenüber seinen Gesprächspartnern immer wieder. Aber nicht, um eine neue Politik anzukündigen. Im Gegenteil, er verspricht außenpolitische Kontinuität. Nein, er will seinen Partnern sagen, dass ihnen in Berlin jetzt neue Leute gegenüberstehen. Guido Westerwelle zum Beispiel. Meinung

Keine große Welle

Von SZ-MitarbeiterinGesche Wüpper Der Literaturpreis Prix Goncourt und der von Staatspräsident Sarkozy vorgestellte Plan im Kampf gegen Krebs bestimmten gestern die Schlagzeilen in Frankreich, nicht der Antrittsbesuch von Außenminister Westerwelle. Selbst die Tatsache, dass er nach der Amtsübernahme als erstes nach Polen und nicht nach Paris reiste, schlug keine großen Wellen. Denn in der Wahrnehmung der Franzosen ist die Tatsache viel wichtiger, dass Bundeskanzlerin Merkel und Sarkozy den deutsch-französischen Beziehungen zu neuem Schwung verhelfen wollen. Als Symbol dafür ist Merkel als erstes deutsches Staatsoberhaupt zu den Feiern zum Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November eingeladen. Westerwelle wird aber in Zukunft beweisen müssen, dass ihm die deutsch-französische Freundschaft am Herzen liegt. Noch werden ihm als Neuling auf dem internationalen Parkett Fehltritte nachgesehen. Doch das ist nur eine Schonfrist.

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