"Super-Obama" zurück auf der ErdeRepublikaner auf Profilsuche

Charlottesville. Mary Bennett hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ungeachtet eines Wunders droht ihrem Kandidaten Creigh Deeds eine böse Schlappe bei den Gouverneurswahlen in Virginia am heutigen Dienstag

Charlottesville. Mary Bennett hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ungeachtet eines Wunders droht ihrem Kandidaten Creigh Deeds eine böse Schlappe bei den Gouverneurswahlen in Virginia am heutigen Dienstag. "Es ist viel schwerer die Leute zu motivieren", vergleicht die Aktivistin ihre Erfahrungen mit der Begeisterung, die Barack Obama vor nicht einmal einem Jahr als ersten Schwarzen ins Weiße Haus trug. Zehntausende harrten damals Stunden in der Kälte aus, um den "Yes-We-Can"-Kandidaten auf der nächtlichen Schlusskundgebung des Wahlkampfs bei Manassas zu erleben.

"Wir stehen einen Tag davon entfernt, Wandel nach Amerika zu bringen", versprach Obama einen Neuanfang. Ein Jahr später kann der Hoffnungskandidat eine Fülle begonnener Projekte, aber nur wenige Ergebnisse vorweisen. "Sein größter Erfolg war das 800-Milliarden Konjunktur-Programm", meint der Politologe Larry Sabato von der University of Virginia.

Mühsame Reform-Schritte

Was nicht heißt, dass Obama nicht versucht, seine Versprechen einzulösen. Und zwar inmitten einer Krise, die das Finanz-System an den Rand des Zusammenbruchs führte. Dass es dazu nicht kam und die Wirtschaft im letzten Quartal sogar wieder um 3,5 Prozent zulegen konnte, ist kein geringes Verdienst. Solange sich die Erholung nicht auf dem Arbeitsmarkt zeigt, erhält Obama aber nur wenig politische Anerkennung dafür. Das Gleiche gilt für die Fortschritte bei der Gesundheitsreform. Einem Jahrhundertprojekt, an dem seit Theodore Roosevelt alle Präsidenten gescheitert waren. Niemand schaffte es, die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung so weit voranzutreiben wie Obama. Doch beschlossen ist die Reform damit noch nicht. "Wandel ist schwierig", räumte Obama kürzlich ein. Blumige Wahlkampf-Rhetorik lässt sich nur in kleinen Schritten in die Praxis umsetzen. Beispiel Guantanamo: Das Versprechen am Tag eins nach der Amtseinführung, den Schandfleck binnen Jahresfrist zu schließen, scheitert bisher an der Bereitschaft des Kongresses, die Häftlinge in US-Gefängnissen unterzubringen. "Ich bin darüber enttäuscht", meint Jean Borton (31), der sich im Stammlokal der "Drinking Liberally" ("Trink links")-Demokraten mehr Mut wünscht. Das gelte auch für die Gleichbehandlung von Homosexuellen in der Armee oder den Klimaschutz. "Wir brauchen Ergebnisse", findet der Literaturwissenschaftler. "Dann kehrt auch die Begeisterung wieder zurück." Dass viele seiner Freunde an diesem Dienstag zu Hause bleiben, habe jedoch weniger mit dem Präsidenten zu tun. "Deeds ist zu konservativ", erklärt Borton.

"Die Ursachen sind komplex", warnt Politologe Sabato vor übereilten Rückschlüssen. Was in Virginia mit dem Präsidenten zu tun habe, sei die "intensive Abneigung, die die republikanische Basis gegenüber Obama empfindet". Diese polemisiert lautstark gegen "Bankenrettung" und "Konjunkturprogramm" oder organisiert "Tee-Parties", um gegen höhere Steuern zu protestieren. "Ich sorge mich, dass Obama unser Land in den Sozialismus führt", sagt die Rentnerin Jeannes Vanderhoef. Nun hofft sie, dass ein Sieg des Republikaners Bob McDonnells am Jahrestag der Wahl Obamas ein klares Zeichen setzt.

Die hoch motivierten Konservativen profitieren vor allem von dem erwarteten Einbruch bei der Wahlbeteiligung. Umfragen deuten auf 1,2 Millionen oder ein Drittel weniger Wähler hin als 2008. "Das sind die Wähler, die Obama 2008 zum Sieg verholfen haben", analysiert Politologe Sabato. Darunter ein überproportionaler Anteil an Jung- und Erstwählern, Minderheiten und neuen Einwandern. "Deeds spricht diese Gruppen nicht an." Obama erhält in Virgina in denselben Umfragen, die Deeds ein Desaster vorhersagen, Zustimmungswerte von 57 Prozent. National liegt er im Schnitt bei 51 Prozent. Damit hält er seine Wähler bei der Stange, die ihm mit ziemlich genau demselben Stimmenanteil ins Weiße Haus verholfen hatten. "Das war ein völlig normales erstes Jahr im Präsidentenamt", vergleicht Sabato Obamas Bilanz mit der anderer Präsidenten.

Sicher ist am Jahrestag nur so viel: Nach seinem Höhenflug während des Honeymoons der ersten 100 Tage kehrt "Super-Obama" auf die Erde zurück. Dem "Yes we Can" des Wahlkampfs fügen seine Anhänger nun ein "aber nicht sofort" hinzu. Oder wie Mary Bennett ungeduldigen Wählern sagt: "Veränderungen brauchen Zeit."Washington. Es war einer der bittersten Momente in der Geschichte der US-Republikaner: Ihr Präsidentschaftskandidat John McCain klar von Barack Obama geschlagen, dazu noch eine dramatische Schlappe bei den Kongresswahlen - viele sahen am 4. November 2008 das Ende des konservativen Zeitalters gekommen. Kurz nach dem Debakel beschrieb Karl Rove, Architekt der Wahlsiege von George W. Bush, unter dem Titel "Der Weg aus der Wildnis" sein Rettungs-Rezept: Vernünftiger, hoffnungsvoller, einladender müssten die Republikaner werden, wollen sie je wieder Land sehen. Ein Jahr später fehlt von Aufbruchstimmung indes jede Spur. Erschüttert von Skandalen scheint die Partei nicht nur ihren Gegnern orientierungslos. "Macht Euch endlich an die Arbeit!", poltert genervt der konservative Kolumnist und Ex-Beamte im Weißen Haus, Douglas MacKinnon.

Den Demokraten war es ein Leichtes, der Opposition das Etikett der Neinsager anzuheften - Obamas 787 Milliarden Dollar schweres Konjunkturprogramm kam nur dank einer Handvoll republikanischer Abtrünniger durch den Kongress. Von den 217 Republikanern in Repräsentantenhaus und Senat, ermittelte die "New York Times", unterstützt nur ein einziges Parteimitglied eine Gesundheitsreform, wie sie sich der Präsident vorstellt. Prominente Veteranen der Republikaner wie Bob Dole sind entsetzt: Die Partei, fordern sie, solle endlich einmal für etwas sein, statt ständig gegen alles.

Dann die ständigen Personal-Debakel: Der Gouverneur von South Carolina, Mark Sanford, einst ein Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahl 2012, schoss sich per Sex-Affäre ins politische Nichts. Ein respektierter Senator wechselte zu den Demokraten. Noch mit am prominentesten im Rampenlicht: Ex-Vizekandidatin Sarah Palin (Foto: dpa). Seit sie das Amt der Gouverneurin von Alaska aus unklaren Gründen an den Nagel hängte, wollen Spekulationen nicht verstummen, sie habe es 2012 auf das Weiße Haus abgesehen. Derweil macht sie durch Familienquerelen, astronomische Rede- und Buchhonorare sowie bizarre Attacken gegen die Regierung von sich reden.

"Die Partei findet einfach keinen Weg aus der Wildnis", meint Holly Bailey vom US-Magazin "Newsweek". "Es gibt keinen klaren Führer, es gibt keine klaren Themen, in denen sie sich gegen Obama und die Demokraten behauptet. Die Grand Old Party ist nicht in der Lage, bei irgendetwas in die Spur zu kommen." Die Partei "ist weitgehend auf ihre Basis in südlichen und ländlichen Staaten reduziert. Sie ist den Aktivisten dort und den TV-Persönlichkeiten, denen diese Aktivisten folgen, verbunden", meint die "New York Times". Um wieder stark zu werden, braucht sie Wähler der Mitte. dpa

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