Bittere Einsichten zum Festessen "Rechtzeitig darüber reden, was nach 2012 passiert"

Saarbrücken. Sie sitzen bei "Roulade vom Spanferkel an Trüffelsauce" und "Boeuf Bourguignons mit Butter-Spätzle". Die Barbara-Feier der Bergleute in der Saarbrücker Congresshalle soll für 249 Mitarbeiter der RAG Deutsche Steinkohle an der Saar Auszeichnung für ihre langjährigen Verdienste sein. Viele haben Angehörige mitgebracht

Saarbrücken. Sie sitzen bei "Roulade vom Spanferkel an Trüffelsauce" und "Boeuf Bourguignons mit Butter-Spätzle". Die Barbara-Feier der Bergleute in der Saarbrücker Congresshalle soll für 249 Mitarbeiter der RAG Deutsche Steinkohle an der Saar Auszeichnung für ihre langjährigen Verdienste sein. Viele haben Angehörige mitgebracht. Die Stimmung ist jedoch gedrückt, trotz Tannenbaum mit Lametta und roten Schleifchen im Saal sowie Weihnachtssternen auf der Bühne. Auch politische Landesprominenz wird geboten: vom Ministerpräsidenten bis hin zu SPD-Landeschef Heiko Maas und Linken-Chef Oskar Lafontaine.

Hugo Vogelgesang (56), in voller Kluft der Bergkapelle, steht am Eingang zur Halle, raucht schnell noch eine und wirkt nicht gerade in Feierlaune. Er hat das alles schon hinter sich: ist im Vorruhestand, arbeitete 30 Jahre im Werk Hirschbach, spielt jetzt in der Bergkapelle. "Weil es Spaß macht. Und die Kameradschaft stimmt." Vogelgesang fragt sich, warum man mit aller Gewalt Bergbau an der Saar beenden wolle, trotz international steigender Energiepreise. Und ist "auch nicht ganz damit einverstanden, dass Ministerpräsident Peter Müller die Ehrungen der Arbeitsjubilare und Jubilare der Gruben- und Gasschutzwehr vornimmt". Es ist jedoch Tradition, dass diese Rolle dem amtierenden Ministerpräsidenten zufällt.

Auch Dietmar Geuskens, Bezirksvorsitzender der IG BCE, fängt da an zu grummeln. Mit Müllers Auftritt gieße man unnötig Öl ins Feuer. "Der Rippel als Wirtschaftsminister hätte es doch diesmal auch getan." Heiko Maas, der SPD-Landeschef, plädiert dafür, schon vor 2012 zu prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, Bergbau weiterzuführen. Und Elke Ferner, die SPD-Bundestagsabgeordnete, denkt leise darüber nach, ob man nicht vielleicht doch noch mit neuester Technologie einen störungsfreien Kohle-Abbau in der Primsmulde ermöglichen könnte. Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG Deutsche Steinkohle, begrüßt Ferner in seiner Festrede offiziell als Politikerin, "die einen langjährigen Einsatz für die Bergleute geleistet hat, auch in Berlin, was wir außerordentlich zu schätzen wissen".

"2008 ein Schicksalsjahr"

Dann folgt jedoch Ernüchterung. Es ist Tönjes selbst, der "das Schicksalsjahr 2008 für die Bergleute" Revue passieren lässt - vom Tag der Erderschütterungen am 23. Februar, der die Zukunftsfähigkeit des Bergwerks Saar zerstört habe, bis heute. Und dann betont, für eine Weiterführung des Saar-Bergbaus über 2012 hinaus gebe es keine Chance mehr. Dies liege an der politischen Vorgabe. Zwar werde 2012 noch einmal geprüft, ob die Energiepreise und möglicherweise drohende Versorgungslücken einen Ausstieg aus dem deutschen Bergbau bis 2018 noch rechtfertigen. Doch "spätestens 2012 ist ein Kurswechsel möglich. Auch das wird dem Bergwerk Saar nicht mehr helfen", prognostiziert Tönjes. Selbst wenn es gelänge, 2012 ein Genehmigungsverfahren für weiteren Saar-Bergbau auf den Weg zu bringen, sei dieses erst 2017 beschlussreif. Und die Belegschaft längst abgebaut.

Tönjes dankt allen für die Suche nach einem Kompromiss, der sozialverträglichen Abbau der Arbeitsplätze ermöglicht. Es sei am Ende eine gute Lösung für alle gefunden worden, auch für die vom Bergbau betroffenen. Tönjes dankt auch ausdrücklich "dem Herrn Ministerpräsidenten".

Letzterer betont, die Bergleute hätten keinen Grund, jetzt mit gesenktem Kopf durch das Land zu gehen. Das Saarland habe den Bergleuten viel zu verdanken. Die Lage habe sich aber seit Februar verändert. "Eine über 2012 hinaus mögliche Perspektive gibt es nicht", so Müller. Auch sei an der Saar niemand bereit, für neue Bergwerke und Erschließung neuer Flächen Geld in die Hand zu nehmen. Spricht es aus und nimmt die Ehrungen vor. Herr Schmoldt, Sie plädieren dafür, schon vor 2012 zu prüfen, ob die Entwicklung der internationalen Energiepreise und eventuell drohende Versorgungslücken eine Weiterführung des Bergbaus in Deutschland rechtfertigen, auch über 2018 hinaus. Warum?

Hubertus Schmoldt: Wir erleben jetzt schon, dass sich der Energiemarkt international sehr schnell verändert, Energie knapp wird und sich die Preise dramatisch verteuern, auch wenn sie im Moment wegen der Finanzkrise gesunken sind. Die Preise werden wieder steigen und auf höherem Niveau bleiben. Denn es gibt nicht genug Energiereserven für die weltweit wachsende Nachfrage. Die steigenden Importkohle-Preise führen zu einer deutlichen Annährung an die Preise für heimische Steinkohle. Deshalb muss die Politik die grundsätzliche Frage beantworten, ob sie bei einer geringen Differenz zwischen Import- und heimischer Steinkohle letztere aufgibt und sich weiter abhängig macht von Energie-Importen. Deutschland würde erpressbarer bei der Preisgestaltung.

Was fordern Sie?

Schmoldt: Wir brauchen auch künftig eine sichere nationale Energieversorgung. Dazu soll unsere Steinkohle einen Beitrag liefern. Unsere Stromerzeugung basiert größtenteils auf Kohle- und Kernenergie. Bleibt es beim Ausstieg aus der Kernenergie, kann man nicht gleichzeitig aus der Kohle aussteigen. Auch nicht bei wachsendem Anteil der regenerativen Energien.

Im Saarland soll das letzte Bergwerk schon 2012 schließen. Wird es dabei bleiben?

Schmoldt: Das muss die Landesregierung beantworten. Bergbau im Saarland wird insbesondere davon abhängig sein, ob Erschütterungen in Zukunft vermeidbar sind, die unzumutbare Belastungen für die Menschen darstellen. Geologisch kann dies im Moment niemand ganz sicher beantworten. Beim Kohleabbau außerhalb der Primsmulde darf man aber davon ausgehen, dass er weniger Gefahren und Risiken in sich birgt als die frühere Förderung in der Primsmulde.

Sind Sie für einen Saar-Bergbau auch nach 2012?

Schmoldt: Ich rate dazu, zunächst einmal in die Praxis umzusetzen, was wir mit der Landesregierung vereinbart haben. Ich hoffe, die Emotionen, die es an der Saar gegen den Bergbau gegeben hat, werden einer ruhigeren Betrachtung weichen. Dann wird man rechtzeitig darüber reden müssen, was nach 2012 passiert. Voraussetzung für weiteren Bergbau an der Saar ist, dass es in der Region eine entsprechende Akzeptanz gibt. Wir versuchen als Gewerkschaft gerade, diese Akzeptanz aufzubauen.

Im Saarland finden 2009 Landtagswahlen statt, die Positionen der Parteien zum Bergbau sind unterschiedlich. SPD und Linke lassen erkennen, dass sie den Bergbau fortsetzen wollen. Wie wird sich die IG BCE verhalten?

Schmoldt: Wir messen die Parteien zuerst an ihren Wahlprogrammen. Eine Wahlempfehlung für eine Partei wird die IG BCE nicht aussprechen. Allerdings sind Wahlprogramme etwas völlig anderes als konkretes Handeln in einer Regierung. Unsere begründete Sorge ist, dass gerade bei der Linkspartei der Populismus und die Bereitschaft sehr ausgeprägt ist, Versprechungen zu machen, die man nach der Wahl nicht mehr so ernst nimmt. Deshalb werden wir neben der Haltung zum Bergbau die gesamten Wahlprogramme aller Parteien im Hinblick auf Arbeitnehmer-Interessen bewerten.

Auf einen Blick

Entwicklungen im Saar-Bergbau seit dem Rekord-Beben:

23. Februar: Das bislang mit Abstand stärkste Grubenbeben erschüttert das Saarland: Im Epizentrum Saarwellingen werden etliche Gebäude, darunter die Kirche St. Blasius, beschädigt. Die Landesregierung ordnet einen sofortigen Abbaustopp an. Begründung: Gefahr für Leib und Leben.

28. Februar: Die RAG beantragt bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeit für mehr als 4100 Beschäftigte.

14. März: Der Aufsichtsrat der RAG setzt weiter auf die Kohleförderung im Saarland. Allerdings will das Unternehmen auf den Abbau in der Primsmulde verzichten. Die Landesregierung fordert ein verbindliches Ende des Bergbaus vor 2012.

15. März: Das Land will den Vorschlag der RAG prüfen, ob bis zum Jahr 2012 Kohleförderung in den Flözen Grangeleisen und Wahlschied ohne Gefahr für Leib und Leben möglich ist.

31. März: Die Landesregierung genehmigt den Kohle-Abbau im Flöz Grangeleisen.

9. Juni: Der Aufsichtsrat der RAG gibt grünes Licht für die Stilllegung des Bergwerks Saar zum 1. Juli 2012.

16. September: Das Bergamt Saarbrücken genehmigt den Kohleabbau im Streb 8.7 West bei Reisbach. red

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