Bekommt Gabriel die SPD wieder groß?

Berlin. Dem Schröder Gerhard hat er mal die Tür zugeknallt, als der noch niedersächsischer Ministerpräsident und er selbst bloß Abgeordneter der SPD-Fraktion im Landtag von Hannover war. Schröder hat das imponiert, erinnerte es ihn doch an sich. Er fand, aus Sigmar Gabriel werde noch mal was

Berlin. Dem Schröder Gerhard hat er mal die Tür zugeknallt, als der noch niedersächsischer Ministerpräsident und er selbst bloß Abgeordneter der SPD-Fraktion im Landtag von Hannover war. Schröder hat das imponiert, erinnerte es ihn doch an sich. Er fand, aus Sigmar Gabriel werde noch mal was. Als Schröder Kanzler war, hat Gabriel, der nun tatsächlich Ministerpräsident in Niedersachsen geworden war, öfter mal Interviews gegeben, in denen Worte wie "Vodoo-Ökonomie" für das fielen, was der neue Kanzler in Bonn da anstellte. Auch das gefiel Schröder noch, denn als Quertreiber war er ja auch groß geworden. Nur als Gabriel dann für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer war, um seine Wiederwahl in Niedersachsen zu retten, es war 2003, spielte Schröder nicht mehr mit. Das kostete dem aus Goslar stammenden "Kugelblitz" den Regierungsposten an der Leine und machte ihn vorübergehend zum Popbeauftragen der SPD. Besser gesagt als "Siggi-Pop" (Spitzname) zum Gespött der SPD. Gabriel litt und war froh, als Schröder und Müntefering ihn 2005 wenigstens Umweltminister der großen Koalition spielen ließen. In diesem Amt betrieb er vier Jahre lang so ernsthaft und engagiert Sacharbeit - etwas, was eigentlich nicht sein Ding ist - dass man in der Partei seinen höchst berechtigten Ruf, er sei sprunghaft und egozentrisch, inzwischen etwas vergessen hat. Jedenfalls so weit, dass er nun, da es niemanden anderen mehr gibt, sogar SPD-Vorsitzender werden soll. Gabriel hat etwas von der Figur "Theo gegen den Rest der Welt", die Marius Müller-Westernhagen einmal spielte: Provoziert immer, kriegt immer auf die Nase, steht immer wieder auf, provoziert erneut. Gerade hat der 50-Jährige diesbezüglich eine besonders schöne Zeit verbracht. Die ganze Union samt FDP und Energiekonzerne hat er im Wahlkampf zur Weißglut getrieben; hat fiese Papierchen aus dem Keller seines Ministeriums geholt, aus denen hervorgeht, dass Gorleben von der Regierung Kohl willkürlich als Endlager ausgesucht wurde. Hat fiese Gutachten erstellen lassen, die zeigen, wie teuer das Atom kommt, wenn man nicht nur auf den Strompreis an der Steckdose guckt, sondern auch auf die Rechnung für Asse. Ein Atomwahlkampf droht? Gabriel rieb sich schon die Hände, als er das Wort im Frühjahr nur hörte. Trotzdem kriegte seine SPD auf den Deckel. Er selbst übrigens fast auch. Weil seine niedersächsischen Genossen nicht ihn, den Minister, sondern ihren Landesvorsitzenden Garrelt Duin auf Platz Eins der Liste für den Bundestag setzten, verzichte er trotzig auf jedwede Absicherung und setzte alles auf das Direktmandat im Wahlkreis Braunschweig/Wolfenbüttel. Gewonnen, wenn auch knapp, und jetzt muss Duin auch noch klatschen, dass der Mann sein oberster Parteichef wird. So was genießt Gabriel, der auch sonst gern genießt. Das Essen und das Privatleben. Schön, wenn sich das verbinden lässt. Als er in Halle vor kurzem höllische Zahnschmerzen bekam, konnte ihm nur der Notdienst helfen. Die Schmerzen sind weg, die hübsche Zahnärztin nicht. Er lud sie erst zum Abendessen ein und dann dazu, seine Lebensabschnittsgefährtin zu werden, was Anke Stadler annahm. Gabriel, Markenzeichen Grinsen, Beruf Volkshochschullehrer, Berufung Glückskind, ist irgendwie ein Stehaufmännchen. Und so was kann die SPD ja gerade gut gebrauchen. Meinung

Mann ohne Programm

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß Wer glaubt, dass mit der eiligen Ausrufung von Sigmar Gabriel zum SPD-Vorsitzenden das rote Drama endlich beendet ist, der wird sich täuschen: Es wird noch munter weitergehen bei den Sozialdemokraten. Spätestens dann, wenn die konkrete inhaltliche Neuausrichtung der Partei ansteht, drohen der SPD weitere Zerreißproben. Klug war es von Gabriel, sich Olaf Scholz, den noch amtierenden Arbeitsminister, mit ins Führungsboot zu holen. Mit dem soliden Pragmatiker werden die radikalen Linksrutscher um Andrea Nahles und Klaus Wowereit ein Stückchen ausgebremst. Aber sonst? Nun muss ausgerechnet Gabriel, der Mann ohne Programm, der bisher kaum durch Prinzipien und nur wenig Inhalt aufgefallen ist, die SPD völlig neu positionieren. Überzeugend ist das nicht. Aber, Gabriel ist wortgewaltig und kampfeslustig, der Niedersachse hat die Skrupellosigkeit im Umgang mit dem politischen Gegner, die nötig ist, wenn man eine am Boden liegende Partei aufrichten muss. Das ist wenigstens etwas. Auf einen BlickDer neue SPD-Chef soll künftig vier Stellvertreter haben. Die "Neuen": Manuela Schwesig (35) ist seit einem Jahr Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Im Wahlkampfteam von Steinmeier für Familienpolitik zuständig. Geboren in der DDR, Diplom-Volkswirtin, verheiratet, Mutter eines Sohnes.Hannelore Kraft (48) ist SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Gelernte Bankkauffrau, Wirtschaftswissenschaftlerin. Regierungserfahrung auf verschiedenen Ministerposten in NRW: Wissenschaft, Europa. Verheiratet, ein Sohn.Klaus Wowereit (56) ist Regierender Bürgermeister von Berlin und seit fast acht Jahren an der Spitze einer rot-roten Koalition. Gilt als möglicher Wegbereiter einer bundesweiten Öffnung zur Linkspartei. Jurist, Partygänger, Golfspieler. Lebt mit einem Arzt zusammen. Olaf Scholz (51) ist noch Bundesarbeitsminister. Außerdem Fachanwalt für Arbeitsrecht und designierter SPD-Landeschef in Hamburg. Verheiratet.Andrea Nahles (39) ist noch Vize-Vorsitzende der SPD. Einst Chefin der Jusos und für kurze Zeit schon einmal designierte Generalsekretärin: 2005, gegen den Willen von Franz Müntefering. Parteilinke, begabte Strippenzieherin. Germanistin aus der Eifel. dpa HintergrundDie SPD-Parteivorsitzenden seit dem Zweiten Weltkrieg: Kurt Schumacher (1946 bis 1952) übernahm nach dem Krieg den Wiederaufbau der deutschen Sozialdemokratie. Es folgten: Erich Ollenhauer (1952 bis 1963), Willy Brandt (1964 bis 1987), Hans-Jochen Vogel (1987 bis 1991), Björn Engholm (1991 bis 1993), Johannes Rau (Mai 1993 bis Juni 1993), Rudolf Scharping (1993 bis 1995), Oskar Lafontaine (1995 bis 1999), Gerhard Schröder (1999 bis 2004), Franz Müntefering (2004 bis 2005), Matthias Platzeck (2005 bis 2006), Kurt Beck (2005 bis 2008) und wieder Franz Müntefering (2008 bis 2009). afp

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