Aufatmen – und nachdenkliche Töne

Brüssel · Die Erleichterung der EU war mit Händen zu greifen. Schon wenige Minuten nach Bekanntwerden des schottischen Ergebnisses nannte Kommissionspräsident José Manuel Barroso den Ausgang des Referendums "gut für das vereinte, offene und gestärkte Europa".

Gleichzeitig versprach er eine weitere enge Zusammenarbeit mit der schottischen Führung über alle wichtigen Themen wie Arbeitsplätze, Wachstum, Energie, Klimawandel und Umweltschutz.

Ein paar Kilometer entfernt sprach Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen von der "guten Gewissheit, dass das Vereinigte Königreich als geeintes Land vorangehen wird". Doch in das Aufatmen mischten sich im Laufe des Tages zunehmend auch nachdenkliche Töne. "Das Referendum in Schottland sollte als Weckruf für Europas Zentralstaaten dienen", betonte der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Jo Leinen. "In einer globalisierten Welt und einem zusammenwachsenden Europa streben immer mehr Regionen mit eigener kultureller Identität nach mehr Selbstverwaltung und Selbstbestimmung." Diese zu ignorieren, sei "keine Lösung".

Brüssel sieht das Schreckgespenst einer von separatistischen Bewegungen zunehmend zersetzten Union als gebannt an, auch wenn in der spanischen Region Katalonien Anfang November ebenfalls über eine Autonomie abgestimmt wird. Doch dieses Votum hat die Zentralregierung in Madrid als illegal abgetan. Solche separatistischen Aufmüpfigkeiten gibt es in vielen Bereichen der EU. "Nicht nur die Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern auch die EU müssen verstehen, dass die Region keine Nostalgie, sondern der Lebensraum der Bürger ist, die Europäer, aber eben immer Basken, Schotten oder Bayern sein wollen", drückte es ein Mitglied der Kommission aus. Und ergänzte: "Machen wir es doch wie die Deutschen: Die haben ein starkes föderales System, mit starken Ländern. Das ist ein Modell." Der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bereits Konsequenzen gezogen: In seinem Team, das am 1. November die Arbeit aufnehmen wird, wurde das Thema Subsidiarität weit oben angesiedelt.

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