Sind Windräder an Autobahnen eine Gefahr?

Berlin · Sachsen und Bayern wollen die Windanlagen auf Abstand halten: In der Nähe von Autobahnen bestehe eine Gefahr durch mögliche Brände in der Gondel oder Eisabwurf. Für den Bundesverband Windenergie sind das Vorwände.

Widerstände gegen die "Verspargelung" der Landschaft durch Windräder gibt es fast überall, doch in Sachsen und Bayern sind sie am größten. Beide Freistaaten wollen den Bürgern die Anlagen nun durch Gesetzesregelungen vom Leib halten - was die betroffene Windenergie-Branche scharf kritisiert.

Nächste Woche bringt Sachsen eine Initiative in den Bundesrat ein, die vorsieht, das Bundesfernstraßengesetz zu ändern. Bisher gilt, dass Windanlagen 40 Meter Abstand von Autobahnen und 20 Meter Abstand von Bundesstraßen halten müssen. Die CDU/FDP-Regierung will nach dem Gesetzentwurf, der unserer Zeitung vorliegt, nun festschreiben, dass der Abstand künftig mindestens der Gesamthöhe des Windrades (mit Rotor) entsprechen muss. Das sind häufig 200 Meter. Für kleinere Anlagen soll eine Untergrenze von 150 Metern gelten. Autofahrer würden abgelenkt, außerdem bestehe die Gefahr von Bränden in den Gondeln, heißt e. Und dort, wo die Gefahr des Eisabwurfs nicht technisch ausgeschlossen sei - was für die meisten Anlagen gilt - solle der Pflichtabstand sogar 400 Meter betragen.

Für den Bundesverband Windenergie sind das alles Vorwände. Dass Autofahrer abgelenkt würden, habe man aus Norddeutschland mit seinen vielen Anlagen noch nie gehört. Brände habe es im letzten Jahr nur sechs gegeben. Und bei Eisbildung blieben die Rotoren stehen, es gebe keine Gefahr für Autofahrer. Der Vorstoß konterkariere das Ziel, Windräder wenn möglich entlang von großen Verkehrstrassen zu errichten. "Sachsens einseitiges Vorgehen gegen die preiswerteste erneuerbare Energie treibt eine neue Blüte", kritisierte Henning Dettmer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie. Das Vorhaben sei ein "Schlag gegen die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung." Dettmer verwies zur Begründung auch auf einen anderen Vorstoß, der dieser Tage ebenfalls den Bundesrat erreicht hat: Eine "Länderöffnungsklausel" im Baugesetzbuch. Die bayerische CSU hatte sie im Koalitionsvertrag durchgesetzt; Anfang April wurde der entsprechende Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen. Er soll es einzelnen Bundesländern erlauben, eigene Abstandsregelungen für Windanlagen zu Wohnhäusern festzulegen, die über die bestehenden Grenzen hinausgehen. Die bestimmen sich nach der Lärmbelästigung und betragen in der Regel 500 bis 1000 Meter. Mit der Öffnungsklausel würde möglich, was Bayern und Sachsen wollen: Dass in ihren Bundesländern ein Abstand des Zehnfachen der maximalen Höhe eines Windrades von einer Wohnbebauung vorgeschrieben werden kann. Bei den modernen 200-Meter-Anlagen wären das zwei Kilometer.

"Wer die Flächen für die Windenergie immer weiter beschneidet, gefährdet die Energiewende", so Dettmer. Nach einer von der Windbranche in Auftrag gegebenen Studie aus 2011 reichen zwei Prozent der Landesfläche, um Windanlagen mit 198 Gigawatt Leistung zu errichten, das Fünffache der heutigen Kapazität. Damit könnte 65 Prozent des deutschen Stroms erzeugt werden. Bis zu 22 Prozent der Fläche Deutschlands seien als Standorte prinzipiell geeignet. Eigentlich genug. Freilich stellte die Studie fest, dass dieser Vorrat umso schneller schrumpft, je mehr ausschließende Kriterien angelegt werden.

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