Seine-Metropole ohne Autos
Paris · Luftverschmutzung ist in Paris ein riesiges Problem. Deshalb macht die Stadt Autofahrern das Leben immer schwerer: Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger, Tempolimits, Verbote für Altfahrzeuge und jetzt ein autofreier Sonntag.
Die Champs-Élysées ohne Hupkonzert, der Platz der Republik ohne Blechkolonnen: Das Pariser Stadtzentrum ist am Sonntag autofreie Zone. Wenige Monate vor der UN-Klimakonferenz soll der Aktionstag ein Zeichen setzen. "So können wir zeigen, dass Paris ohne Autos funktionieren kann", sagte Bürgermeisterin Anne Hidalgo.
Eine steile These angesichts der Blechlawinen, die Tag für Tag über die Boulevards kriechen. Und der Sonntag ohne Autos ist auch eine eher überschaubare PR-Aktion geworden. Das Verbot gilt nur von 11 bis 18 Uhr und betrifft vor allem das direkte Zentrum, der Großteil der Stadt ist für den Verkehr frei (wenn auch nur mit Tempo 20). Für Taxis und Umzüge gelten Ausnahmen.
Doch hinter der Symbolik steckt ein klarer Kurs: Priorität für Fahrräder und den öffentlichen Nahverkehr. Seit Jahren baut Paris sein Fahrradnetz aus und macht Autofahrern das Leben schwerer - zum Teil gegen heftige Widerstände. Aus Sicht der Stadtspitze gibt es keine andere Möglichkeit, um der Luftverschmutzung in dem Verkehrsmoloch Herr zu werden. Gerade entlang wichtiger Achsen werden Grenzwerte für Feinstaub häufig überschritten.
"Seit ihrem Einzug ins Rathaus hat Madame Hidalgo einen echten Krieg gegen Verschmutzung und Diesel angefangen", urteilte die Zeitung "Le Monde " schon im Frühjahr. Die 2014 gewählte Sozialistin will alte Fahrzeuge Stück für Stück aus der Stadt drängen, seit 1. September sind die Straßen für alte Busse und Lastwagen tabu. In den kommenden Jahren soll das Verbot auch auf alte Autos ausgedehnt werden. Mit Ausnahme der wichtigen Hauptstraßen soll bald in ganz Paris Tempo 30 gelten.
Zugleich setzt Hidalgo die Politik ihres Vorgängers fort, öffentlichen Raum von den Autofahrern "zurückzuerobern". Sieben große Plätze will sie umgestalten, darunter die Bastille. O-Ton-Hidalgo: "Ich sage es ganz klar: Die Autos werden einen Rest-Platz haben und nicht den Hauptplatz." Weiteres Vorzeigeprojekt ist die Sperrung der rechten Uferstraße an der Seine für Autos. Das gegenüberliegende Ufer ist bereits Fußgängerzone.
Autoverbände sind auf den Barrikaden. Die Vereinigung "40 Millionen Autofahrer " fürchtet längere Fahrtzeiten, mehr Staus, mehr Abgase und mehr Lärmbelästigung für Anwohner der Straßen, auf die Autofahrer dann ausweichen müssen. Gerade viele Menschen aus den Banlieues sind außerdem darauf angewiesen, für die Arbeit nach Paris zu pendeln.
Doch selbst die konservative Opposition im Stadtrat unterstützt grundsätzlich das Ziel, den Autoverkehr zu begrenzen. Das scheint Folgen zu haben: Laut Hidalgo haben heute noch 40 Prozent der Pariser ein eigenes Auto - 2001 seien es 60 Prozent gewesen. Der Verkehr auf den Hauptverkehrsachsen ging von 2001 bis 2013 um ein Viertel zurück.
Die Gewinner sind die Radfahrer . Seit 1998 ist das Radwegenetz von gerade 120 Kilometern auf mehr als 700 Kilometer gewachsen, dabei zählen allerdings Busspuren und die Freigabe von Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung mit. Fahrräder gehören längst zum Straßenbild, dürfen an vielen Ampeln auch bei Rot rechts abbiegen, und jede Sekunde nimmt sich ein Pariser ein Rad an einer der mehr als 1200 Stationen des Verleihsystems Vélib. Bis 2020 sollen die Radwege verdoppelt werden, der Radverkehrsanteil von fünf auf 15 Prozent steigen. Dies zeigt aber auch, dass Paris noch aufzuholen hat: In München und Berlin liegt der Fahrradanteil schon heute in diesem Bereich - ganz zu schweigen von Fahrradmetropolen wie Kopenhagen. Hidalgo sieht ihren autofreien Tag denn auch als Teil einer "Erziehungsbewegung", wie sie der Zeitung "Le Parisien" sagte. Sie hofft, dass die nächste Auflage im kommenden Jahr auch einen größeren Teil der Stadt umfasst - das hatte der Polizeipräfekt diesmal noch verhindert.