Moskau stellt Bedingungen

Berlin/Slawjansk · Die Lage in der Ukraine nähert sich einem Bürgerkrieg. Die diplomatischen Bemühungen treten derweil auf der Stelle. Moskau will die Separatisten aus der Ukraine in die neuen Friedensgespräche einbinden – und erhält eine Abfuhr aus Kiew.

Im Ukraine-Konflikt hat Russland die Einbindung der prorussischen Kräfte in neue Friedensgespräche gefordert. Ohne die Beteiligung der prorussischen Kräfte mache ein neues Treffen in Genf keinen Sinn, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow gestern beim regulären Jahrestreffen des Europarates in Wien. Er sprach sich für einen nationalen Dialog in dem Land aus. Anschließend traf Lawrow am Flughafen der österreichischen Hauptstadt mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen. Dieser hatte noch vor der für den 25. Mai in der Ukraine geplanten Präsidentenwahl eine zweite Krisenkonferenz in Genf angeregt.

Eine Teilnahme der Separatisten daran kommt für die ukrainische Regierung aber nicht infrage. "Wir vertreten als ukrainische Regierung alle Regionen der Ukraine", sagte Außenminister Andrej Deschtschiza in Wien. Das ukrainische Parlament lehnte zugleich ein parallel zu der Abstimmung am 25. Mai geplantes Referendum über die territoriale Einheit der Ex-Sowjetrepublik ab.

In einem in mehreren europäischen Zeitungen abgedruckten Interview forderte Steinmeier, es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um einen neuen Kalten Krieg zu vermeiden. "Die blutigen Bilder aus Odessa haben uns gezeigt, dass wir wenige Schritte von einer militärischen Konfrontation entfernt sind."

Die Mitte April zwischen der EU, den USA, Russland und der Ukraine erzielte Genfer Vereinbarung, darunter ein Gewaltverzicht und die Räumung besetzter Gebäude, wird bisher kaum umgesetzt. Die USA und die EU werfen Moskau vor, den Konflikt in der Ukraine noch verschärft zu haben. Aus diesem Grund wurden Sanktionen gegen Moskau verhängt. In der Debatte über weitere Schritte rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Europäische Union zum Zusammenhalt auf. Innerhalb der 28 EU-Staaten gibt es unterschiedliche Meinungen, ob und wann und wie die Sanktionen gegen Moskau verschärft werden.

Die ukrainische Regierung hatte in den vergangenen Tagen eine neue Offensive gegen moskautreue Kämpfer im Osten des Landes gestartet. Nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow wurden allein bei Gefechten am Montag dieser Woche 30 Separatisten und vier Mitglieder der ukrainischen Sicherheitskräfte getötet. Unterschiedliche Sprecher der Separatisten gaben die Zahl der Toten mit 10 bis 30 an. Auch Zivilisten seien ums Leben gekommen, behaupteten sie. Dafür gab es zunächst keine Beweise.

Der Flughafen Donezk nahm am Nachmittag den Betrieb wieder auf, nachdem die Luftfahrtbehörde zunächst alle Flüge ohne Begründung abgesagt hatte. In Odessa wurde der Gouverneur abgesetzt. Übergangspräsident Alexander Turtschinow begründete dies mit den jüngsten Straßenschlachten und dem Gebäudebrand in der Hafenstadt.

Das Auswärtige Amt rät derweil allen Deutschen, das Krisengebiet zu verlassen. Es rät auch von Reisen auf die von Kiew abtrünnige Halbinsel Krim ab. Russland hat die Krim gegen internationalen Protest an das eigene Staatsgebiet angeschlossen.

Trotz des Konflikts mit dem Westen angesichts der Ukraine-Krise schließt der russische Präsident Wladimir Putin eine Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie nicht aus. Die Reise nach Frankreich werde in Erwägung gezogen, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow gestern. Es werde "zweifellos" nicht ausgeschlossen, dass Putin daran auch teilnehme.

Die alliierten Streitkräfte waren am 6. Juni 1944 an den Stränden der Normandie in Nordfrankreich gelandet, um eine zweite Front gegen das nationalsozialistische Deutschland zu eröffnen und das besetzte Frankreich zu befreien. Jedes Jahr reisen Politiker und Veteranen zur Erinnerung an den D-Day nach Nordfrankreich, um der getöteten Soldaten zu gedenken. Für dieses Jahr kündigten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama ihr Kommen an.

Unterdessen hat die Kanzlerin eine offenbar geplante Abhaltung einer russischen Militärparade auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim am 9. Mai kritisiert. Es sei "schade", den Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs "in einem solchen Spannungsfeld" für eine Parade zu nutzen, sagte Merkel gestern. Presseberichten zufolge könnte Putin anlässlich der Parade erstmals die annektierte ukrainische Halbinsel besuchen.

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