Rentenpaket erneut in der Kritik

Der Streit um die Rentenpläne der Bundesregierung ging gestern in eine weitere Runde. Bei einer öffentlichen Expertenanhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales gab es erneut viel Kritik an dem Gesetzespaket, das voraussichtlich am 23. Mai vom Parlament verabschiedet wird. Nachfolgend die kontroversen Positionen der Sachverständigen:

Rente mit 63: Wer mindestens 45 Beitragsjahre vorweisen kann ("kurzzeitige" Phasen der Arbeitslosigkeit zählen mit), darf künftig schon mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen. Für Versicherte ab dem Geburtsjahrgang 1953 erhöht sich dieses Renteneintrittsalter schrittweise auf 65 Jahre. Kosten bis 2017: sieben Milliarden Euro. Pro: Gewerkschafts-Experten bewerteten das Vorhaben positiv. Lebensleistungen würden besser anerkannt. Der Plan sei auch wegen der nach wie vor unbefriedigenden Beschäftigungssituation Älterer gerechtfertigt. Der Ökonom Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ging gar davon aus, dass die Beschäftigung der Älteren durch die Rente mit 63 steige, "weil die Betriebe ihre Leute halten wollen". Kontra: Experten der Arbeitgeberseite kritisierten den Plan als "falsch" und "ungerecht", weil die Nutznießer mehr Leistungen für ihren Beitrag bekämen als alle anderen Versicherten. Personen mit 45 Versicherungsjahren seien schon heute privilegiert, weil sie von der gesetzlichen Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre dauerhaft ausgenommen seien. Warum sie nun schon mit 63 statt 65 Jahren in Rente gehen sollten, "erschließt sich nicht". Um eine "Ausweitung der Frühverrentung" zu verhindern, plädierte die Arbeitgeberseite dafür, nur Arbeitslosigkeit für die Dauer von maximal einem Jahr am Stück zu berücksichtigen. Alles darüber hinaus gelte als Langzeitarbeitslosigkeit, die auch der Gesetzgeber nicht mit einbeziehen wolle. Nach den vorgelegten Gesetzesplänen wäre es möglich, das Arbeitsverhältnis schon mit 61 zu lösen, um nach zweijährigem Bezug von Arbeitslosengeld I abschlagsfrei in Rente zu gehen. Experten des DGB entgegneten, dies könnten sich Arbeitnehmer wegen des geringeren Arbeitslosengeldes überhaupt nicht leisten.

Mütterrente: Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sollen im Rentenalter zwei Rentenpunkte statt bislang nur einen gut geschrieben bekommen. Damit erhöht sich deren Rente im Westen um monatlich 28,61 Euro und im Osten um 26,39 Euro. Kosten bis 2017: 23,3 Milliarden Euro. Pro: "Eine systematisch und sozi alpolitisch sinnvolle Maßnahme", lobte der DGB. Damit könne eine bestehende Gerechtigkeitslücke verringert werden, die ältere Frauen benachteilige. Hintergrund: Frauen, deren Kinder nach 1992 geboren wurden, erhalten dafür heute schon drei Rentenpunkte. Allerdings profitieren sie auch nicht mehr von einer früheren Regelung, die Müttern älterer Kinder hilft, ihre erziehungsbedingten Einkommensverluste zum Teil auszugleichen. Kontra: Arbeitgeber, Rentenversicherung, aber auch der DGB halten die Finanzierung des Vorhabens für "völlig verfehlt". Mit der Anerkennung der Kinderziehungszeiten werde eine gesamtgesellschaftliche Leistung honoriert. Folglich müsse sie aus Steuermitteln beglichen werden und nicht über Beiträge. Nach den Regierungsplänen sind zusätzliche Steuermittel erst im Jahr 2019 vorgesehen. Die Arbeitgeberseite rechnete vor, dass langfristig so nur ein Fünftel der zusätzlichen Kosten über Steuern finanziert würde. Der DGB kritisierte zudem die unterschiedliche Bewertung der Kindererziehungszeiten in Ost und West. Die Arbeitgeber wiesen darauf hin, dass eine Aufstockung der Mütterrenten kein Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut sei, denn höhere Mütterenten würden mit der staatlichen Grundsicherung im Alter verrechnet.

Erwerbsminderung: Wer aus ge sundheitlichen Gründen in Rente geht, wird künftig so gestellt, als habe er bis 62 statt bis 60 Jahre gearbeitet. Im Ergebnis erhöht sich die Erwerbsminderungsrente um etwa 40 Euro im Monat. Kosten bis 2017: eine Milliarde Euro. Pro: Nach Einschätzung der Rentenversicherung hilft die Maßnahme, künftige Altersarmut zu vermeiden. Etwa jeder fünfte Beschäftigte schied 2012 krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus. Im Schnitt lag die Rente dann nur bei 607 Euro. Auch DGB und Arbeitgeber begrüßten deshalb im Grundsatz eine Aufstockung. Kontra: Die Arbeitgeber mahnten an, die Mehrausgaben durch Einsparungen an anderer Stelle zu finanzieren. Dem DGB gingen die Verbesserungen nicht weit genug.

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