Kabinett billigt schärferes Sexualstrafrecht

Berlin · Der Vergewaltigungsparagraf wird verschärft. Das ist sicher. Doch vielen Bundestagsabgeordneten geht der Entwurf nicht weit genug – auch im Lichte der Übergriffe auf Frauen in Köln.

Die Bundesregierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem sexuelle Übergriffe leichter als Vergewaltigung geahndet werden können. Dem gestern vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf zufolge ist der Tatbestand der Vergewaltigung bereits erfüllt, wenn das Opfer mündlich seine Zustimmung zum Sex verweigert, ohne körperlich Widerstand zu leisten. Mit der Neuregelung werde eine "inakzeptable Schutzlücke" geschlossen, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD ). Es müsse alles getan werden, um Frauen besser zu schützen.

Wenn sich ein Opfer beispielsweise aus Furcht vor weiterer Gewalt einem Übergriff nicht handgreiflich widersetze, habe dieser bisher nicht als Straftat geahndet werden können. Die Neuregelung soll Strafen für solche Übergriffe ermöglichen, bei denen der Täter ein Überraschungsmoment oder eine Einschüchterungssituation ausnutzt. Sie sei ein "wichtiger Schritt zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung", erklärte Maas. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung gebe es eine relativ geringe Anzeige- und Verurteilungsquote. Es gebe also ganz offenbar Strafbarkeitslücken, die nun geschlossen werden sollten.

Unionspolitikerinnen, Linke und Grüne kritisierten die Vorlage als ungenügend. "Tätliche Übergriffe wie Grapschen in den Schritt sind derzeit nicht strafbar", sagte die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz . Der Entwurf reiche daher nicht aus. Sexuelle Tätlichkeiten wie Grapschen müssten als eigenes Vergehen strafbar werden. Das untere Strafmaß im Sexualstrafrecht solle erhöht werden. "Die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit von Frauen ist nicht verhandelbar", so Widmann-Mauz.

Die geplante Verschärfung schließe die Schutzlücke nicht, kritisierte Linken-Chefin Katja Kipping . "Denn Nein heißt vor dem Gesetz immer noch nicht unbedingt Nein." Auch die Grünen bezeichneten den Maas-Entwurf als "halbherzig". Der Minister schlage eine Einzelfalllösung vor, die keinen umfassenden Opferschutz gewährleiste: "Ein Nein des Opfers muss zur Begründung eines Sexualdelikts ausreichen." Frauen-Union und Grüne kritisierten ebenso wie die Linke, dass die Vorlage von Maas nicht den Anforderungen der Istanbuler Konvention genüge, die eine Bestrafung jeglichen nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verlangt. Die SPD zeigte sich offen für Nachbesserungen. Im parlamentarischen Verfahren solle geprüft werden, ob weitere Änderungen erforderlich seien, hieß es. Die Saarländerin Elke Ferner (SPD ) brachte die Einführung eines Straftatbestandes auch der bandenmäßigen sexuellen Belästigung ins Gespräch. Die Debatte um die Verschärfung des Sexualstrafrechts hatte durch die Kölner Silvesternacht neue Nahrung erhalten.

Meinung:

Besser spät als nie

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Sexuelle Übergriffe gegen Frauen gibt es nicht erst seit Köln. Wenn nun der Eindruck entsteht, das Strafrecht werde wegen der Flüchtlinge verschärft, hat die Sache einen faden Beigeschmack. Der Gesetzentwurf hätte schon viel früher kommen müssen. Trotzdem: Besser spät als nie. Bislang wird nur ein Bruchteil aller Vergewaltigungen angezeigt. Von sexuellen Handlungen wie etwa dem Begrapschen oder verbalen Belästigungen ganz zu schweigen. Allerdings, und das gehört auch zur Wahrheit, sind die Fälle vielgestaltig gelagert. Manche bewegen sich in einer Grauzone, der mit dem Strafrecht schwer beizukommen ist. Auch falsche Beschuldigungen können so entstehen. Aber vielleicht hat der Gesetzentwurf auch einen psychologischen Effekt: Wenn sich herumspricht, dass sexuelle Übergriffe stärker verfolgt werden, könnte die Zahl der Fälle sinken.

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