Kommentar Ein doppelbödiger Vorstoß

Wer einen Verein gründen will, weiß, dass der Erwerb von Gemeinnützigkeit kein einfaches Unterfangen ist. Zuweilen kann es aufgrund des bürokratischen und juristischen Aufwands ein höchst zeitraubendes sein.

Kommentar zum Vorstoß zur Gemeinnützigkeit von Finanzminister Scholz
Foto: SZ/Lorenz, Robby

Wichtig ist es aber, dass der Staat hier genau hinschaut. Das sollte eigentlich die Regel sein. Deshalb verwundert es schon ein wenig, dass sich Finanzminister Scholz nun die Gemeinnützigkeit vor allem männerspezifischer Vereine vornimmt. Wenn etwa Männer Vereine pflegen oder gründen, weil sie gerne unter sich sein wollen, sei ihnen das unbenommen. Daraus aber den Anspruch auf Steuervorteile abzuleiten, hat etwas Anmaßendes, Parasitäres. Das gilt auch für so manchen Verein, der Brauchtum pflegt. Schließlich war es früher auch guter Brauch, Frauen viele Bereiche des Lebens vorzuenthalten. Das Schießen in (traditionell trinkfreudigen) Schützenvereinen etwa gehörte allemal dazu. In Burschenschaften haben Steuervorteile bis heute nichts zu suchen. Da freilich ist der Staat gehalten, mit ihnen aufzuräumen. Das aber muss auch umgekehrt der Fall sein – bei Frauen-Vereinen etwa, die Männer grundlos kategorisch ausschließen. Völlig anders verhält es sich dort, wo Vereine Menschen geschlechterspezifisch sozial zur Seite stehen, etwa Gruppen für Frauen, die Gewaltopfer wurden. Sie sind im Wortsinn „gemeinnützig“, weil sie die Allgemeinheit entlasten. Männer- wie auch Frauenchöre dürfen aufgrund ihres künstlerischen Gestaltungsanspruchs ebenfalls als gemeinnützig gelten. Denn ihre Aufführungen kommen allen zugute. Die Gemeinnützigkeit muss also eine Frage des Prüfens und Abwägens sein. Was sonst. Aber Scholz’ Vorstoß ist durchaus auch eigennützig und zielgerichtet, er hat jetzt viel zu verlieren – oder zu gewinnen. So etwa die Frauenstimmen seiner Partei bei der bevorstehenden Stichwahl zum SPD-Vorstand.

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