Vor dem Diesel-Gipfel Ein schwerer Gang für VW, Daimler und Co.

Berlin · Sind Fahrverbote noch zu verhindern? Die Bundesregierung erwartet beim morgigen Diesel-Gipfel von den Autobauern mehr als nur Software-Updates.

 Feinstaubalarm: In Städten wie Stuttgart ist die Stickoxid-Belastung durch Autoabgase mittlerweile unerträglich.

Feinstaubalarm: In Städten wie Stuttgart ist die Stickoxid-Belastung durch Autoabgase mittlerweile unerträglich.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

 In den morgigen Diesel-Gipfel geht die Regierung mit einer einheitlichen und weitgehend abgestimmten Linie. Und eines zeichnet sich ab: Die Träume der Autokonzerne, mit einem billigen Software-Update davonzukommen, werden wohl nicht wahr werden.

Einzelheiten wurden gestern noch nicht bekannt, doch konnte man Äußerungen in den federführenden Ressorts von Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) und Alexander Dobrindt (Verkehr, CSU) entnehmen, dass die Bundesregierung von den Herstellern morgen Angebote hören will, die über die bisherigen Zusagen hinausgehen.

Dazu müssten neben den von der Industrie schon vorgeschlagenen Korrekturen an den Software-Programmen auch Nachrüstungen gehören, hieß es. Beides müsse die Industrie auf ihre Kosten erledigen. Länger diskutiert wurde über den Umfang dieser Nachrüstpflicht. Das Angebot müsse, hieß es, so umfassend sein, dass Fahrverbote vermieden werden könnten. Dies könne man den Herstellern gleichwohl nicht garantieren, da solche Fahrverbote letztlich Sache der Kommunen seien, deren Spielraum dafür nach den jüngsten Urteilen immer enger werde. Doch hätten die Konzerne bei einem überzeugenden Angebot bessere Chancen, dass die Gerichte Fahrverbote für entbehrlich halten, so Regierungskreise.

Das Kalkül der Industrie, nur mit einem Software-Update für die rund neun Millionen betroffenen Diesel-Fahrzeuge davonzukommen, ist damit obsolet. Es hätte rund 100 Euro pro Fahrzeug gekostet, aber nur einen kleinen Teil des Stickoxids eliminiert. Eine umfassende Nachrüstung kommt pro Auto hingegen auf etwa 1500 Euro und würde insgesamt bis zu 13 Milliarden Euro kosten. Genau das forderten die Deutsche Umwelthilfe, die mit weiteren Klagen drohte, und die Grünen. Deren Vorsitzende Simone Peter sagte zur SZ, die Hersteller seien in der Pflicht, die Fahrzeuge auf ihre Kosten nachzurüsten. Nur so könnten Fahrverbote verhindert werden, die auch die Grünen nicht anstrebten.

Ein gemeinsamer Beschlussvorschlag der Ministerien für den Gipfel wurde gestern zur Stellungnahme an die Länder geschickt, von denen einige Ministerpräsidenten an dem Treffen teilnehmen werden – solche, die eine Automobilindustrie haben, und solche, die als Stadtstaaten mit hohen Stickoxidwerten kämpfen.

Außerdem soll auf dem Gipfel darüber gesprochen werden, wie die Debatte um die Mobilität der Zukunft und die E-Autos weitergeht. Die Grünen regten gestern an, eine „Zukunftskommission“ unter Leitung von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) einzusetzen, die Vorschläge für eine konsequente „Verkehrswende“ machen solle.

De facto vom Tisch ist die Idee der Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und Stephan Weil (SPD), der Industrie durch eine staatliche Förderung beim Verkauf von relativ sauberen Diesel-Motoren der Euro-6-Norm unter die Arme zu greifen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ verlauten, er halte Kauf­anreize „nicht für sinnvoll“ und die Debatte um eine steuerliche Förderung für verfrüht. Umweltministerin Hendricks hatte zuvor erklärt, sie wolle eine auslaufende Technik wie den Dieselmotor nicht subventionieren.

Politischen Streit gibt es um Verkehrsminister Dobrindt und das ihm unterstehende Kraftfahrt-Bundesamt. Oliver Krischer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, nannte beide „Schutzpatrone der Trickser und Betrüger“. Anlass ist eine Meldung, wonach das Amt auf Intervention von Porsche einen Untersuchungsbericht zu Diesel-Abgasen abgemildert habe. Das Verkehrsministerium widersprach dieser Darstellung. Dobrindts Ministerkollegin Brigitte Zypries (SPD) forderte von ihm Aufklärung, und zwar „noch vor dem Autogipfel“.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schlug die Aufteilung und Neuorganisation des Bundesamtes vor und sprach von einer „absurden Kumpanei“ mit den Herstellern. Schulz griff auch die Kanzlerin an: „Es ist unerträglich, dass Frau Merkel dem Treiben von Herrn Dobrindt und seiner Behörde seit Monaten tatenlos zuschaut.“ Merkel nimmt an dem Gipfel nicht teil, sondern lässt sich durch den Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun (CDU), vertreten. Aus dem Urlaub ließ Merkel erklären: „Wir brauchen eine starke und innovative, aber auch ehrliche Autoindustrie.“

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