NSU-Prozess Die eiskalte Beate soll für immer hinter Gitter

München · Der NSU-Prozess läuft nun schon vier Jahre, allein das Anklage-Plädoyer dauerte Tage. Jetzt ist klar: Die Bundesanwaltschaft will die Höchststrafe für Zschäpe.

 Eine typische Pose: Kalt lächelnd, abgeklärt, irgendwie selbstsicher präsentiert sich die angeklagte Beate Zschäpe seit Prozess-Beginn in München und auch gestern wieder. Nun droht der NSU-Frau die Höchststrafe.

Eine typische Pose: Kalt lächelnd, abgeklärt, irgendwie selbstsicher präsentiert sich die angeklagte Beate Zschäpe seit Prozess-Beginn in München und auch gestern wieder. Nun droht der NSU-Frau die Höchststrafe.

Foto: dpa/Matthias Schrader

Als es im NSU-Prozess in die Mittagspause geht, löst sich bei Beate Zschäpe das zuvor maskenhafte Gesicht. Mit ihrem Verteidiger Herrmann Borchert scherzt sie, scheint guter Laune. Ist Zschäpe eine Meisterin im Überspielen ihrer Gefühle? Denn wenn sie dem Plädoyer von Bundesanwalt Herbert Diemer zuhört hat, weiß die 42-Jährige, dass sie nach dem Willen der Anklage höchstens als alte Frau aus dem Gefängnis kommen soll.

Dass Diemer die Höchststrafe – lebenslang, besondere Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung – für Zschäpe fordern würde, war zu erwarten. Doch in dem bald viereinhalb Jahre laufenden Prozess geht es auch darum, die Bedeutung der NSU-Tatserie für den Staat zu zeigen und hier vor allem die Rolle Zschäpes.

Der Bundesanwalt entscheidet sich dazu, das nach dem mutmaßlichen Suizid von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 2011 einzig lebende NSU-Mitglied fast schon teuflisch erscheinen zu lassen. Über die 13 Jahre im Untergrund definierte sich das Leben der Angeklagten „durch Terror, Raub und Mord“, sagt Diemer.

Um alle Zweifel daran zu zerstreuen, dass Zschäpe eine Mittäterin war, obwohl sie vermutlich an keinem der Tatorte der NSU-Morde war, erinnert er an den 4. November 2011. An diesem Tag begingen Böhnhardt und Mundlos nach einem missglückten Überfall in Ei­senach Selbstmord. In Zwickau aber setzte Zschäpe wie für diesen Fall vorgesehen laut Diemer die letzte Wohnung des Trios in Brand.

Es sei „ein höllisches Finale“ gewesen, das Zschäpe veranstaltet habe. Ihre Katzen habe Zschäpe an diesem Tag zwar gerettet. Um eine in dem brennenden Mehrfamilien­haus lebende gebrechliche alte Frau und Nachbarin habe sie sich aber nicht gekümmert. Zschäpe sei „ein eiskalt kalkulierender Mensch, für die ein Menschenleben keine Rolle spielte“, sagte Diemer. Fast schon massenhaft habe sie Menschenleben ihrem Willen geopfert.

Der Bundesanwalt ist auch überzeugt, dass der NSU am Tag des Auffliegens noch aktiv war und die zehn bis dahin begangenen Morde nicht der Schlusspunkt sein sollten. In dem von Zschäpe verschickten zynischen Bekennervideo seien 14 Felder für Mordopfer eingeplant gewesen.

Gefordert wird maximale Härte gegen Zschäpe, bei der Diemer nicht einmal einen Funken Reue erkennen kann. Nach Überzeugung der Anklage ist Zschäpe Mittäterin an allen Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“: den neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenschlägen mit Dutzenden Verletzten sowie insgesamt 15 Raubüberfällen. Diemer sagte, Zschäpe habe sich bis zu dieser Tat möglicherweise nie selbst die Finger schmutzig gemacht. Der Bundesanwalt betonte aber: „Sie hat alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mit bewirkt.“ Damit habe Zschäpe „fast schon massenhaft“ Verbrechen gegen das Leben anderer Menschen begangen.

Ein gemischtes Bild ergibt sich bei den Plädoyers indes gegen die vier mutmaßlichen NSU-Helfer. Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben soll wegen des Beschaffens der Ceska-Tatwaffe zwölf Jahre in Haft, der mutmaßliche NSU-Helfer André E. überraschend ebenfalls für zwölf Jahre. Der im Prozess als einziger Angeklagter konsequent schweigende Neonazi sei in den Jahren im Untergrund „ein verlässlicher Anker“ des NSU-Trios gewesen, befindet die Anklage. Um seine Flucht vor einem Urteil zu verhindern, will die Bundesanwaltschaft einen Haftbefehl gegen E. erwirken. Die Entscheidung soll heute fallen.

Milder fällt dagegen die Strafforderung für die beiden Angeklagten aus, die auspackten. Der mutmaß­liche NSU-Unterstützer Holger G. soll fünf Jahre in Haft. Der als zweiter Beschaffer der Ceska-Pistole geltende Carsten S. sogar nur für drei Jahre in Jugendhaft.

Für die Bundesanwaltschaft ist mit dem Ende ihres über acht Verhandlungstage gehaltenen Plädoyers die Arbeit getan. Doch nach wie vor reiben sich Nebenkläger an den Karlsruher Ermittlern. Sie halten ihnen fehlenden Aufklärungswillen zu einem vermuteten Netzwerk um den NSU vor. In den kommenden Wochen haben nun diese Nebenkläger das Wort – ein Termin für ein Urteil ist auch viereinhalb Jahre nach Prozessbeginn noch völlig offen.

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