Extrem lukrative „Wunderpillen“

Sie machen Hoffnung auf Linderung schwerer Krankheiten oder etwas längeres Überleben – neue Arzneimittel. Doch die Pharmakonzerne tun sich schwer mit grundlegenden Verbesserungen für die Patienten. Fragen und Antworten zum Thema.

 Laut einer Studie bringen neue Arzneimittel für Patienten kaum mehr Nutzen. symbolFoto: dpa

Laut einer Studie bringen neue Arzneimittel für Patienten kaum mehr Nutzen. symbolFoto: dpa

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Wie fällt die Bilanz bei neuen Arzneimitteln aus?

Gemischt. Laut dem neuen Innovationsreport im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) kann von 23 neuen Mitteln des Jahres 2013 nur eines durchweg überzeugen. Es handelt sich um Pertuzumab gegen Brustkrebs. Neun Mittel erhalten eine mittlere Bewertung, 13 eine negative.

Was für neue Mittel bringt die Industrie auf den Markt?

Vor allem Krebsmedikamente. "Sie sind extrem lukrativ", erklärt der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. Therapiekosten von mehreren zehntausend Euro pro Jahr sind die Regel. Der Aufwand ist aber vergleichsweise gering. Die nötigen Studien umfassen oft weniger als 1000 Patienten - im Vergleich zu 20 000 Patienten bei Mitteln gegen bestimmte Volkskrankheiten . Auch Mittel gegen HIV oder Multiple Sklerose finden sich unter den Neuerungen.

Was bringen die neuen Mittel?

Bei den Krebsmedikamenten gehe es in der Regel darum, das Leben von Schwerkranken um Wochen oder Monate zu verlängern, so Ludwig. Der Pharmaverband vfa betont: Neue Mittel sind für manche Patienten oft sinnvoller Teil einer Kombinationstherapie - oder ein Reservemittel, wenn die erste Therapie ihre Wirksamkeit verloren hat. Klar ist: Es geht in aller Regel nicht um neue Heilungschancen.

Welche Kosten bringen die neuen Mittel mit sich?

Für die Hersteller bringen neue Mittel oft hohe Umsätze von rund einer Million Euro pro Monat. Der Preis für neue Mittel pro Packung ist laut TK-Report von 670 Euro im Jahr 2012 auf 1400 Euro im Jahr 2013 in die Höhe geschnellt.

Wie geht es bei neuen Mitteln nach Marktzulassung weiter?

Zunächst werden die Mittel zu dem Preis verkauft, den die Pharmafirma festlegt. Dann folgt eine offizielle Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken. Aufgrund dieser Bewertung verhandelt dann der Kassenverband mit dem Hersteller den Erstattungspreis. Aber auch dann kann es och unvorhergesehene Erkenntnisse geben: So kamen bei vier der 23 neuen Mitteln nachträglich Risiko-Warnungen hinzu. Drei Mittel wurden vom Markt zurückgezogen.

Gibt es neue Arzneimittel gegen Volkskrankheiten ?

Wenige. Beispiel Gelenkarthrose: "Viele älteren Menschen können wir nur Medikamente verordnen, die ihren Magen ruinieren", sagt die Pharmakologin Petra Thürmann. Neue Mittel wären für die Ärzte oder Patienten hochwillkommen. Auch gegen Bluthochdruck - damit haben Hausärzte am häufigsten zu tun - gebe es seit Längerem nichts Neues. Bei Diabetes habe es zuletzt nur Mittel gegeben, die die Erwartungen nicht erfüllt hätten. Inzwischen zeige sich, dass Diabetesmedikamente, die seit rund sieben Jahren auf dem Markt sind, sich längerfristig als nützlich erweisen.

Wie schneiden die neuen Mittel der vergangenen fünf Jahre ab?

Seit dem Start der frühen Nutzenbewertung durch ein einschlägiges Gesetz namens AMNOG kamen 156 Mittel auf den Prüfstand - immerhin bei 56 Prozent der neuen Arzneimittel erkannte der Gemeinsame Bundesausschuss wirkliche Verbesserungen für die Patienten .

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