EU-Parlament verschont Juncker

Brüssel · In der Affäre um Luxemburger Steuervorteile für Unternehmen soll nun ein Sonderausschuss die Sache untersuchen. Kommissionspräsident Juncker bleibt damit eine peinliche Befragung erspart.

Jean-Claude Juncker kann aufatmen. Der Kommissionspräsident muss nicht mehr fürchten, von den Abgeordneten des EU-Parlamentes vor einen Untersuchungsausschuss gezerrt zu werden. Präsident Martin Schulz sowie die Fraktionsvorsitzenden des Parlamentes lehnten gestern die Einsetzung eines solchen Gremiums ab, das die dubiosen Steuerabsprachen der damaligen Luxemburger Regierung unter Junckers Leitung mit Großkonzernen durchleuchten sollte. Stattdessen verständige man sich auf einen Sonderausschuss, der die "Praktiken in allen EU-Staaten untersuchen und Gesetzesinitiativen vorbereiten" darf. Damit wurde ein heftiger Krach beendet, der sich zeitweise quer durch die Fraktionen zog.

Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt war Juncker ins Visier der Lux-Leaks-Affäre geraten, weil während seiner Zeit als Premier des Großherzogtums Vereinbarungen mit Großkonzernen wie Ikea , Apple und anderen getroffen wurden, mit denen man den Unternehmen minimale Steuern versprach, wenn sie sich in Luxemburg niederließen. Die Grünen forderten daraufhin einen U-Ausschuss, zuletzt hatten sich 198 Parlamentarier diesem Antrag angeschlossen, darunter auch fast 20 Politiker der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion, obwohl deren Chef, der CSU-Politiker Manfred Weber , angeblich nichts unversucht gelassen haben soll, um Juncker einen solchen Untersuchungsausschuss zu ersparen. Weber sprach nun gestern von einem "Ausschuss, der Transparenz in den Steuerregelungen schaffen und Vorschläge machen soll, wie ungerechte Steuerpraktiken beendet werden und gegen Steuervermeidung vorgegangen werden" könne.

Das Problem: Während ein U-Ausschuss auch Akteneinsicht fordern und Zeugen vernehmen kann, ist ein Sonderausschuss darauf angewiesen, mit den Papieren arbeiten zu können, die ihm überlassen werden. Das könnte die Arbeit massiv behindern. Der FDP-Abgeordnete Michael Theurer erklärte dennoch, man habe jetzt "das beste, wirkungsvollste Mittel, um die Lux-Leaks-Affäre schnell aufzuklären". Kritiker bezweifeln das, weil die Juncker-Kommission, die inzwischen gegen die meisten Mitgliedstaaten wegen solcher Deals zwischen Steuerbehörden und Konzernen ermittelt, mit Blick auf ihren Präsidenten nicht unabhängig bleiben könne. So habe sich die Behörde schon bisher geweigert, eine Liste der betroffenen Staaten herauszugeben.

Denn die Praxis in Luxemburg war weder illegal noch ein Einzelfall. In weiten Teilen der EU gibt es ähnliche Fälle - Belgien, die Niederlande, Großbritannien, aber auch Frankreich und Deutschland wird vorgeworfen, mit Unternehmen Vereinbarungen getroffen zu haben, die die Steuerlast deutlich senken.

Meinung:

Unanständig, aber legal

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Der Versuch, den Kommissionspräsidenten persönlich für unfaire Steuerabsprachen mit Großkonzernen verantwortlich zu machen, ist zunächst einmal gescheitert. Das ist gut so, weil jeder, der Juncker mit Hilfe dieser Anschuldigung aus dem Amt jagen wollte, das Gleiche mit den Regierungschefs in London, Berlin, Paris oder Madrid hätte tun müssen. Steuervermeidung ist unanständig, aber nicht illegal. Insofern mag der nun vom EU-Parlament eingesetzte Ausschuss als das richtige Mittel zur Aufklärung erscheinen. Aber das ist er nicht. Weil er von der Gnade all derer abhängig sein wird, in deren Akten man stöbern müsste, um erst die Praktiken aufzudecken und dann Lösungen ausarbeiten zu können. Zumindest Ersteres wird schwierig. Was den Abgeordneten nun bleibt, ist der Versuch, Vorschläge zu erarbeiten, damit künftig kein Mitgliedstaat einem anderen Steuerzahler wegschnappt.

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