Eine „kosmische“ Männerfreundschaft

Paris · Helmut Schmidt und den französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing verband eine lebenslange Freundschaft. Zusammen legten die beiden Politiker die Grundlagen des Europa von heute.

In der Kellerbar von Helmut Schmidts Haus in Hamburg soll der verstorbene Kanzler zusammen mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing die Grundlagen des europäischen Währungssystems ausgehandelt haben. Eine deutsch-französische Initiative, die heute so nicht mehr vorstellbar ist. Doch Schmidt und Giscard waren mehr als zwei Politiker, die in der schwierigen Zeit nach der Ölkrise 1973 zur Zusammenarbeit gezwungen waren. Zwischen dem sozialdemokratischen Regierungschef und dem konservativen Präsidenten herrschte eine lebenslange Männerfreundschaft.

Sie waren sich in fast allen Punkten einig, wie sie auch während ihrer Regierungszeit nur wenige Meinungsverschiedenheiten hatten. Eine davon war der Beitritt Griechenlands zur damaligen Europäischen Gemeinschaft. "Ich war für den Eintritt Griechenlands, Helmut hat sich gesträubt", erinnerte sich Giscard 2013. "Er war weiser als ich." Doch Schmidt ließ sich überreden, denn seine Devise lautete: "Nichts ohne Frankreich".

Sieben Jahre lang regierten die beiden überzeugten Europäer, die 1974 kurz nacheinander an die Macht kamen, parallel. Sie trieben die politische und wirtschaftliche Integration Europas voran. So fiel in ihre Zeit die erste Direktwahl des Europaparlaments 1979, mit der vor allem Schmidt die europäische Volksvertretung stärken wollte. "Wir haben damals unterstellt, das Parlament würde nunmehr auch anfangen zu reden und sich Gehör verschaffen. Das hat es aber nicht getan", kritisierte Schmidt in einem "Spiegel"-Interview zusammen mit Giscard 2012.

Deutlich einflussreicher sind heute noch der Europäische Rat, den die beiden 1974 als feste Institution aus der Taufe hoben und die G-7 der wichtigsten Industrienationen, die 1975 folgte. Besonders eng war die Zusammenarbeit der beiden ehemaligen Finanzminister in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. 1979 arbeiteten der Volkswirt Schmidt und "VGE" das Europäische Währungssystem aus mit der Europäischen Währungseinheit ECU als Kernstück. 20 Jahre vor der Einführung des Euro bereiteten sie damit der Gemeinschaftswährung den Weg. Vom "goldenen Zeitalter" der deutsch-französischen Beziehungen sprechen Historiker, wenn es um das legendäre Paar geht. Die Politiker sehen im "Spiegel"-Interview bei ihren Nachfolgern nicht mehr dieselbe Begeisterung fürs deutsch-französische Verhältnis. "Charles de Gaulle und Konrad Adenauer haben es gemacht, weil sie sich lebhaft an den Krieg erinnern konnten. Helmut und ich haben es ebenfalls gemacht. Helmut Kohl und François Mitterrand auch noch. Danach hat es irgendwie aufgehört. Der Konsumgeneration nach dem Krieg war das egal. Sie hat sich dafür nicht interessiert."

Für Giscard ist die Zusammenarbeit mit seinem Freund auch nach dem Tod nicht vorbei: "Vielleicht werden wir uns im Kosmos wiedertreffen", sagte der französische Ex-Präsident 2013. Und Schmidt antwortete lächelnd: "Das könnte passieren."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort