China-Besuch am Ende der Schönwetterperiode

Berlin · Niemand trifft Chinas Führer so häufig wie die Kanzlerin. Heute reist Merkel erneut nach China – für sie ist es der siebte Besuch im Riesenreich. Mit dabei ist eine 20-köpfige Delegation deutscher Wirtschaftskapitäne.

Es wird ein Staatsbesuch mit allem Tamtam. Nationalhymnen, Ehrenformation, Treffen mit dem Staatsoberhaupt Xi Jinping, dem Ministerpräsidenten Li Keqiang und dem Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses Zhang Dejiang. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird heute selbst auch mit großem Gefolge eintreffen: 20 Chefs wichtiger deutscher Konzerne sitzen mit im Flugzeug. Kein anderes Land hat solche intensiven, regelmäßigen und hochrangigen Kontakte zu China wie Deutschland. Dennoch könnte die diesjährige Visite Merkels in der Rückschau den Höhepunkt der deutsch-chinesischen Beziehungen markieren, meint der Berliner China-Experte Sebastian Heilmann. Denn China orientiert sich um. Nach Afrika und in den mittleren Osten.

Merkels Reiseprogramm zeugt davon noch nicht. Im Gegenteil. Gleich zwei deutsch-chinesische Gremien trifft die Kanzlerin. In Chengdu, Hauptstadt von Sechuan, ein "Dialogforum", dem 15 Teilnehmer jeder Seite angehören. Die Runde soll beide Regierungen in "zivilgesellschaftlichen Fragen" beraten. Und in Peking eröffnet die Kanzlerin zusammen mit Regierungschef Li den neuen "beratenden Wirtschaftsausschuss", der Hinweise auf Probleme bei den Wirtschaftsbeziehungen geben soll. Die gibt es reichlich. Zwar ist China auf Rang drei der deutschen Handelspartner geklettert (hinter Frankreich und Holland), doch hadern deutsche Firmen weiterhin mit Restriktionen bei Investitionen und dem Abfluss von Know-how, bis hin zum Technologieklau. All das soll zur Sprache kommen.

Neue Geschäftsvereinbarungen freilich gibt es auch. Doch steht China vor einer Reihe massiver Probleme und Konflikte: Die Demonstrationen in Hongkong, die scharfe Antikorruptionskampagne, die den Mittelbau des Staatsapparates durcheinanderwirbelt, die unerträglich gewordene Luftverschmutzung, dazu die territorialen Streitigkeiten im südchinesischen Meer. China-Experte Heilmann erkennt bereits eine "innere Verhärtung" des Regimes und glaubt, dass sich das auch auf das Verhältnis zu Deutschland auswirken könnte: "Wir kommen aus der Schönwetterperiode heraus." Außenpolitisch ist man in der ohnehin nie gewesen. Eine Syrien-Resolution blockierte Peking im UN-Sicherheitsrat , bei der Verurteilung der Krim-Annexion durch Russland enthielt es sich. Gleichzeitig bot man Putin an, mehr Gas abzunehmen, was EU-Sanktionsdrohungen die Wucht nimmt.

Freilich glaubt man im Kanzleramt nicht, diese "Schaukelpolitik" (Heilmann) Pekings durch den Besuch groß verändern zu können. Ansprechen wird die Kanzlerin die Themen trotzdem, wie sie auch andere heikle Fragen nicht umgeht. Offen freilich wird die Kanzlerin keine Kritik an den inneren Zuständen des Landes äußern. Das sei, heißt es im Kanzleramt, "der Sache nicht dienlich".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort