„Befristeter Euro-Ausstieg wäre nicht glaubwürdig“

Hat Griechenland noch eine Perspektive im Euro? Ja, sagt der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther – falls Athen seine Reformversprechen wirklich umsetzt. SZ-Korrespondent Stefan Vetter fragte nach.

Herr Hüther, laut IWF braucht Athen in den nächsten drei Jahren erneut mehr als 80 Milliarden, um über die Runden zu kommen. Ist Griechenland noch zu retten?

Hüther: In dieser Zahl ist auch der Finanzierungsbedarf für ein dringend benötigtes Wachstum enthalten. Wenn man sich die Lage der Griechen bis Ende 2014 in Erinnerung ruft, dann gab es hier durchaus hoffnungsvolle Anzeichen, dass wieder mehr investiert und auf längere Sicht gedacht wird. Würde man daran anknüpfen, kann sich der Wind auch wieder drehen.

Können die jüngsten Reformvorschläge der Tspiras-Regierung für mehr Wachstum sorgen?

Hüther: Auf jeden Fall setzen sie einen Rahmen für die nächsten drei Jahre, mit dem man arbeiten kann. Es werden Privatisierungen und ein Primärüberschuss akzeptiert, ohne den Athen die Schulden nicht bedienen könnte. Vorgesehen sind auch erhebliche Veränderungen in der Haushalts- und Finanzpolitik. Zu kurz kommt aus meiner Sicht der Reformbedarf am Arbeits-, Güter- und Dienstleistungsmarkt.

Athen hat schon viel versprochen, aber wenig gehalten. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Hüther: Nach Einschätzung der OECD war Griechenland in den letzten Jahren einer der reformfreudigsten Staaten in Europa. Das wird leicht vergessen, weil man nur auf die aktuelle Regierung in Athen schaut. Wahr ist, dass Tsipras viel Vertrauen zerstört hat. Wahr ist aber auch, dass kein Regierungschef in den letzten fünf Jahren eine so große Rückendeckung in der Bevölkerung und im nationalen Parlament gehabt hat wie er jetzt. Man wird kaum noch eine andere Regierung bekommen, die ähnlich stark aufgestellt ist, um ihre Ankündigungen auch wahr zu machen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble ist da deutlich skeptischer...

Hüther: Dieses Reformpaket ist von Tsipras selbst vorgeschlagen worden. Seiner ganzen Polemik gegen die Sparpolitik hat er damit persönlich den Boden entzogen. Deshalb bin ich auch etwas über die harte Reaktion der Bundesregierung verwundert. Sicher wäre ein drittes Hilfspaket nicht einfach zu vermitteln. Aber es hilft nicht, frustriert zu sein. Damit kommt Griechenland garantiert nicht aus dem tiefen Tal heraus.

Würde den Hellenen eine auf mindestens fünf Jahre befristete Auszeit vom Euro etwas nützen, wie es Schäuble vorschwebt?

Hüther: Das klingt so einfach, fünf Jahre raus aus dem Euro , man regeneriert sich und kommt zurück. Aber was, wenn das nicht klappt? Wird die Auszeit dann um zwei oder drei Jahre verlängert?

Also, Sie halten nichts davon?

Hüther: Wenn die Befristung nicht glaubwürdig ist, dann ist das ein definitiver Austritt Griechenlands aus dem Euro . Und die Befristung kann schon deshalb nicht glaubwürdig sein, weil Griechenland dann um jeden Preis in den Euro zurückgeholt werden müsste, man hätte das gleiche Problem wie heute. Die Griechen müssten einen zusätzlichen Wohlstandsverlust verkraften, denn die neue Währung wäre deutlich weniger wert. Obendrein sollen die Hellenen noch ein Anpassungsprogramm der EU schultern. Das soll klappen? Das ist sehr naiv.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort