Zickzack mit Tsipras

Wir haben genug geblutet, wir haben genug bezahlt. Keine neuen Sparmaßnahmen!" Auf Anhieb möchte man meinen: Diese Parolen können wohl nur von Europas vermeintlichem Schreckgespenst, Athens Regierungschef Alexis Tsipras , stammen.

Tun sie aber nicht. Sie prangten vielmehr auf einem riesigen Transparent, das Besetzer gestern ausgerechnet an die Fassade des Athener Finanzministeriums hängten. Die Protestler ahnen wohl, was dem akut pleitebedrohten Hellas bald wieder blüht - diesmal unter der Regierung des Linken Tsipras: neue, schmerzliche Sparrunden. Verkehrte Welt.

Vor den von ihm erzwungenen Parlamentswahlen am 25. Januar hatte Tsipras den sparmüden Griechen noch hoch und heilig versprochen, die "elende Kaputtsparerei" zu beenden, die Europäische Union, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds seinem Land aufgebürdet hätten. Doch nach 135 Tagen zäher Verhandlungen zwischen Athen und den "Institutionen", wie die Gläubiger-Troika nun heißt, ist auch dem Gros der Hellenen mittlerweile klar geworden: Wollen sie den Euro behalten, dann müssen sie weiter eisern sparen.

Taktiererei auf Griechisch hin, Athener Drohgebärden her - auch Tsipras wird einlenken, wie es schon seine Vorgänger seit Ausbruch der Krise getan haben. Der Premier weiß: Er hat gar keine andere Wahl. Denn Griechenland steht mit dem Rücken zur Wand. Ohne frisches Geld aus den Töpfen der Troika wird das ewige Euro-Sorgenland pleite gehen. Und der "Grexit", Griechenlands Ausstieg aus dem Euro, wäre dann kaum noch zu verhindern. Eine Rückkehr zur Drachme bleibt aber für die meisten Griechen ein Albtraum. Auch für Tsipras. Er will nicht als der griechische Regierungschef in die Geschichte eingehen, der sein Land aus der Eurozone katapultiert hat.

Was bleibt, ist Wut im Bauch - auf die aus seiner Sicht zu harte Haltung der Partner in Brüssel, Berlin, Frankfurt und Washington. Dennoch, seinen Wählern muss Tsipras etwas bieten. Im noch offenen Clinch mit den Gläubigern hat er nun klargemacht, was diese ihm vor allem geben müssten, damit er als bekennender Spar-Gegner den Rotstift - wenn auch widerwillig - in der Hand behält: einen drastischen Abbau der griechischen Staatsschuld.

Athen bietet das Bekenntnis zur Finanzdisziplin, wenn im Gegenzug ein Schuldenerlass erfolgt. Mit so einer Vereinbarung könnte Tsipras politisch überleben, zumindest aber Zeit gewinnen. Und immerhin: Das wollen auch andere in der unsäglichen Causa Hellas. Zum Beispiel Tsipras' neue Duzfreundin, Kanzlerin Angela Merkel. Das erklärt, weshalb das Griechen-Drama auf Zickzack-Kurs in seine nächste Runde steuert. Der Ausgang bleibt auch diesmal ungewiss.

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