Wie links ist dieser Papst?

Asunción · Was hat die bisher längste Auslandsreise des Papstes gebracht? Es gab Kurioses, wie eine Sakristei in einem Hamburger-Laden. Aber auch eine wichtige Entschuldigung und klare Kapitalismus-Kritik. Die Frage ist: Ist der Papst ein Linker?

Dieser Blick des Papstes. Als ob ihm ein totes Tier geschenkt worden wäre. "Das ist nicht gut", sagt Franziskus dem Vernehmen nach, als ihm Boliviens Präsident Evo Morales ein Kruzifix in Form von Hammer und Sichel überreicht. Vielleicht hat Morales da etwas falsch verstanden. Er sieht den Papst an seiner Seite, im Kampf gegen den Kapitalismus und die bösen Industriestaaten. Glaubt Morales etwa, da steht ein Kommunist oder Marxist an der Spitze der katholischen Kirche?

Die Szene gehört zu den meistdiskutierten der ersten großen Südamerikareise des Argentiniers nach Ecuador, Bolivien und Paraguay - eine Reise, die reich ist an Skurrilitäten. Die linken Präsidenten Rafael Correa (Ecuador) und Morales umarmen den Papst. Eigentlich ein Unding. Morales hängt ihm einen Beutel mit Kokablättern um, damit er mit der Höhe von 4000 Metern in Bolivien besser klarkommt. Fürchterlich schräge Klänge bei der Begrüßung mit militärischen Ehren. Als Sakristei bei der Messe im bolivianischen Santa Cruz dient eine Filiale von Burger King . Was zu Fotomontagen mit dem Papst führt, der bei der Wandlung statt einer Hostie einen Burger in die Höhe reckt.

Zwar ist die Sache mit dem Kommunisten-Kreuz komplizierter. Es ist eine Replik. Doch das weiß der 78-Jährige zunächst nicht. Ursprünglich stammt das Kreuz von dem 1980 in Bolivien mit 17 Schüssen ermordeten Jesuiten Luis Espinal, der damit eine Brücke zu den linksorientierten Arbeitern und Bauern schlagen wollte. Und an den Franziskus, ebenfalls Jesuit, in La Paz erinnerte. Doch zugleich wirft das Geschenk ein Schlaglicht darauf, wie der Argentinier auf seinem Kontinent gesehen wird. Als linker Papst.

Er hat auf dieser Reise durchaus an diesem Bild gearbeitet, wenngleich er zugleich sehr konservativ ist, in Fragen von Homo-Ehe oder Abtreibung vertritt er die gleiche Haltung wie Vorgänger Benedikt XVI . Es zieht sich durch die ganze Reise: Der Appell, die Institution der Familie zu achten, zu schützen. Sein politischster Auftritt ist der beim zweiten Weltkongress der Volksbewegungen im bolivianischen Santa Cruz. Er sieht sich als "Papst der Peripherie", als Anwalt der Armen, die Reise passt in das Bild. Er stellt sich dort an die Seite der Volksbewegungen: "Der neue wie der alte Kolonialismus , der die armen Länder zu bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit herabwürdigt, erzeugt Gewalt, Elend, Zwangsmigrationen und all die Übel, die wir vor Augen haben."

Was links ist, ist heute schwer zu definieren - Franziskus' Kritik an einem grenzenlosen Kapitalismus , am Einfluss großer Konzerne, am Streben nur nach Profit und eigenem Vorteil sind unmissverständlich. Das mag links sein, ist aber eine Einstellung, die vor allem auch eines ist: christlich.

Als er vom Neo-Kolonialismus spricht, entschuldigt er sich für alle Verbrechen an den indigenen Völkern durch die Kirche während der Kolonialzeit, "auch für die Verbrechen gegen die Urbevölkerungen während der sogenannten Eroberung Amerikas". Das stärkt seine Rolle in den drei Ländern mit hohen Anteilen indigener Bevölkerung. Es bleibt aber abzuwarten, ob die Reise die Abwanderung zu Sekten und Pfingstkirchen stoppen kann.

Franziskus nutzt die Reise auch, um für seine Umwelt-Enzyklika "Laudato Si" zu werben, immer wieder mahnt er den Schutz von "Mutter Erde" an, auch eine Warnung an Ecuadors Präsident Correa, der ab 2016 Öl im Amazonasgebiet fördern will. Und in Bolivien hoffen die Bischöfe, dass Präsident Morales nun auf einen Entspannungskurs einschwenkt, nachdem er die heimische Kirche heftig bekämpft hatte.

Da ist der Abschluss in Paraguay für den Papst einfacher. Hier regiert der konservative Horacio Cartes, dessen Kampf gegen die Korruption er ausdrücklich lobt. Der Papst fühlt sich durch die Nähe zu Argentinien wie zu Hause, dorthin soll es 2016 gehen. Am Sonntag besucht er das Armenviertel Bañado Norte, auch hier zeigt sich: Er ist kein Ideologieanhänger, sondern getrieben von der christlichen Mission, dass angeprangert werden muss, was zu solchen Schicksalen führt. Er kommt, um Mut zu machen.

Die wohl beeindruckendsten Bilder der Reise gibt es beim Besuch in der Gefangenenstadt Palmasola in Bolivien. Morales wird diese Visite nicht geschmeckt haben. Der Papst legt überall den Finger in die Wunde. In dem Fall mahnt er unverhohlen, die Häftlinge als Menschen zu behandeln. Ein Kind, das dort aufwachsen muss, legt sich auf dem Altar in den Schoß des Papstes, er umarmt es liebevoll, während ihm drei Insassen die Zustände teils als Sodom und Gomorrha schildern. 2013 starben bei einem Gewaltausbruch in Palmasola 35 Menschen, viele Kinder müssen hier in Elend, Hunger und Gewalt mit inhaftierten Müttern leben. 84 Prozent der Häftlinge sitzen in Bolivien ohne Urteil ein. Dank Franziskus ist das nun weltweit bekannt.

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