Corona-Krise Briten melden sich freiwillig zum Kampf gegen das Virus

London · Die britischen Medien überschlugen sich am Donnerstag nur so vor Lob und Anerkennung. „Volksarmee der Güte“, hieß es in einem Blatt, eine andere Zeitung titelte „Armee der Gutherzigen“, die „Daily Mail“ sprach stolz von einer „Nation von Helden“.

Es herrschte Freude über die bewegenden Nachrichten in diesen angespannten Zeiten. Im Vereinigten Königreich haben sich bis gestern Mittag fast 600 000 Menschen als Freiwillige gemeldet, um den jetzt schon überlasteten nationalen Gesundheitsdienst NHS im Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen.

Premierminister Boris Johnson und Gesundheitsminister Matt Hancock zeigten sich bereits am Mittwochabend überwältigt. Der Regierungschef dankte den Freiwilligen auf seiner täglich stattfindenden Pressekonferenz im Namen des ganzen Landes für ihre Hilfsbereitschaft und sagte, sie könnten eine „einfache, aber entscheidende“ Rolle einnehmen. So sollen sie vor allem die Mitarbeiter des maroden NHS entlasten bei der Betreuung jener 1,5 Millionen Menschen, die aufgrund ihres Alters, wegen Vorerkrankungen oder gesundheitlichen Problemen besonderen Schutz benötigen und auf Anweisung der Regierung zwölf Wochen lang zuhause bleiben sollen. Dabei geht es um ganz unterschiedliche Tätigkeiten: Lebensmittel und Medikamente besorgen und an Bürger in Quarantäne ausliefern, Patienten aus dem Krankenhaus abholen, Vorräte transportieren oder auch Ansprechpartner sein für allein lebende Menschen, die sich aufgrund ihrer Isolation einsam fühlen.

Überfüllte Kliniken, fehlendes Personal, verschobene Operationen, nicht genügend Betten – die Politik ist sich des desolaten Zustands bewusst, in dem sich das aus Steuermitteln finanzierte Gesundheitssystem befindet. Und baut in der jetzigen Krise deshalb auch auf den Einsatz der Zivilbevölkerung. Die Massenmobilisierung erinnert an jene in den beiden Weltkriegen. „Zu den wundervollen Eigenschaften der Briten gehört, dass wenn es hart auf hart kommt, das ganze Land an einem Strang zieht“, sagte Lady Sara Bathurst. Die Gräfin hat sich gemeinsam mit ihrem Ehemann ebenfalls zum ehrenamtlichen Dienst bereiterklärt. Schon die Urgroßmutter von Graf Bathurst habe während des Ersten Weltkriegs als freiwillige Pflegerin geholfen. „Ich denke, wir haben jetzt diese geistige Kriegshaltung.“ Damals wurden die Massen mobilisiert, auch Tausende Frauen folgten als Lazarett-Schwestern dem Ruf an die Front. Berühmt wurde ein Poster im September 1914, auf dem der britische Kriegsminister Lord Kitchener mit dem Finger auf den Betrachter zeigt, darunter steht: „will dich“. 463 000 Freiwillige folgten dem Aufruf und unterstützten die britische Armee.

Nun soll in der Gesundheitskrise wieder eine gemeinsame nationale Anstrengung helfen. Gleichzeitig handele es sich in Teilen um ein „Durchhalte-Manöver“, schrieb ein Kommentator. Durch ihre Bereitschaft, sich zu engagieren und zu wissen, dass sie etwas tun können, würden sich die Menschen weniger hilflos fühlen.

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