Anwalt der Unterdrückten tritt in Kreis der Seligen

San Salvador · Für viele Salvadorianer geht ein Traum in Erfüllung. Óscar Romero wird seliggesprochen. Der 1980 ermordete Erzbischof wetterte gegen die herrschende Klasse und gab den Armen eine Stimme.

Für seine Landsleute ist er längst ein Heiliger. In einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte von El Salvador erhob Óscar Romero seine Stimme mit klaren Worten für die Unterdrückten. "Du bist kein Abfall, du gehörst nicht an den Rand", predigte er einst. Im Visier hatte der Erzbischof dabei stets die korrupten Eliten und das brutale Militär. Das wurde ihm zum Verhängnis. Vor 35 Jahren tötete ein Auftragskiller den engagierten Kirchenmann im Altarraum einer kleinen Klinikkapelle. Heute wird er vor fast 300 000 Menschen seliggesprochen.

Die Aufnahme Romeros ist aber nicht nur als Zeichen seiner Verehrung zu sehen. Sie steht auch für eine Wende in der katholischen Kirche. Sie bedeutet eine Versöhnung Roms mit der jahrzehntelang umstrittenen und als marxistisch kritisierten "Theologie der Befreiung". Schon seit ein paar Jahren stehen die Zeichen im Vatikan auf Annäherung. So war erst vor Tagen wieder einer der Gründerväter der Befreiungstheologie , der peruanische Theologe Gustavo Gutiérrez, im Vatikan zu Gast. Die Befreier-Theologie hatte sich in den 1970er Jahren in Lateinamerika als katholische Antwort auf die Untaten von Diktaturen und Unrechtsregime etabliert. Ihre Vertreter forderten mit der "vorrangigen Option für die Armen" soziale Gerechtigkeit und stellten sie ins Zentrum der christlichen Heilsbotschaft.

Obwohl Óscar Romero zunächst als konservativer Geistlicher galt, wurde er nach dem Militärputsch 1979 in El Salvador zur Stimme der Armen und Entrechteten. So wendete er sich etwa an den damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter mit der Forderung, die Unterstützung für die Militärdiktatur einzustellen. Bei einer Predigt im März 1980 flehte er die Junta an, die Repression gegen die Bevölkerung zu beenden und nicht auf das eigene Volk zu schießen. Am Tag darauf wurde Romero von einem Mitglied einer rechtsgerichteten Todesschwadron ermordet. Für seinen Tod wurde nie jemand zur Verantwortung gezogen. Bei Romeros Beerdigung, an der hunderttausende Menschen teilnahmen, erschossen die Militärs Dutzende seiner Anhänger. Die Folge war ein elf Jahre dauern der Bürgerkrieg mit rund 70 000 Toten. Bereits unmittelbar im Anschluss an seine Ermordung verehrten ihn Katholiken in Lateinamerika als Heiligen. Romero ist eine der herausragenden Gestalten des Landes. Allerdings verwehrten konservative Prälaten lange die offizielle Anerkennung seines Einsatzes für die arme Landbevölkerung. Sie fürchteten eine Legitimation der verrufenen Theologie-Strömung.

Inzwischen haben sich die ideologischen Gräben weitgehend geschlossen. Für das Tauwetter ist Papst Franziskus mitverantwortlich, der den Weg für die Seligsprechung per Dekret freimachte. Franziskus ist selbst kein Vertreter der Befreiungstheologie , wohl aber ihres Ablegers, der argentinischen "Theologie des Volkes". Auch sein Vorgänger, Benedikt XVI ., machte sich bereits 2017 für die Seligsprechung des einstigen Erzbischofs stark.

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Auf einen BlickÓscar Romero wurde am 15. August 1917 in Ciudad Barrios geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Vor seinem Theologiestudium absolvierte er eine Schreinerlehre. 1942 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Nach seiner Rückkehr nach El Salvador arbeitete er zunächst als Pfarrer, bevor er 1977 Erzbischof von San Salvador wurde. Wegen seiner kritischen Haltung eckte er in Rom und in seiner Heimat an. Am 24. März 1980 wurde Romero erschossen. dpa