Weichenstellung beim größten Sender der ARD

Köln · Wenn der WDR-Rundfunkrat morgen den neuen Intendanten des Senders wählt, stehen nicht die erwarteten Namen auf der Kandidatenliste. WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, ZDF-Chefredakteur Peter Frey oder Arte-Vizepräsident Gottfried Langenstein fehlen ebenso wie Führungskräfte privater Rundfunk- und Presseunternehmen.

Drei Männer sind noch im Rennen: "Tagesthemen"-Moderator Tom Buhrow (54), Radio Bremen-Intendant Jan Metzger (57) und Stefan Kürten (54), Direktor für Sport und Geschäftsstrategien bei der Europäischen Rundfunkunion (EBU). Auch SR-Intendant Thomas Kleist war zunächst im Gespräch, sagte aber ab.

Für den WDR, mit einem Etat von knapp 1,4 Milliarden Euro und etwa 4000 Mitarbeitern die größte ARD-Anstalt, ist die Intendantenwahl eine Richtungsentscheidung von enormer Tragweite. Monika Piel, die den Sender seit 2007 führte und im Frühjahr aus gesundheitlichen Gründen ihren vorzeitigen Rückzug bekannt gab, hat nach Einschätzung vieler Beobachter häufig nicht glücklich agiert. Im Sender wird mit Sorge gesehen, dass der WDR bei den medienpolitischen Weichenstellungen im Senderverbund längst nicht mehr den Ton angibt. Ein neuer starker Intendant, so die Hoffnung, könnte die führende Rolle zurückerobern. Umso größer war die Verwunderung, als die Findungskommission des Rundfunkrats Mitte Mai die drei Kandidaten für die Endrunde bekannt gab. In der Presse gab es unterschiedliche Meinungen, ob mit diesen Personalvorschlägen ein Neuanfang ermöglicht oder doch eher gezielt verhindert wird.

Gelobt wurde, dass sich keiner der Kandidaten eindeutig parteipolitisch verorten lässt - angesichts der hohen Staatsquote bei vielen Aufsichtsgremien von ARD und ZDF gilt das schon als bemerkenswert. Indirekte politische Verbindungen lassen sich freilich ziehen: So stammt Radio-Bremen-Intendant Metzger aus einer sozialdemokratischen Familie. Großvater Ludwig Metzger und Vater Günther Metzger waren Oberbürgermeister in Darmstadt und SPD-Bundestagsabgeordnete. Metzger volontierte beim HR. 2004 wurde er dort Chef der Hauptabteilung Programm-Management Fernsehen. 2006 wechselte er zum ZDF, wo er ab 2009 Leiter des "heute-journals" war. Im Mai 2009 wurde er Intendant von Radio Bremen.

Tom Buhrow verfügt zwar über eine hohe Bildschirmpräsenz, aber kaum über nennenswerte Management-Erfahrung. Sein Vorteil ist, dass er WDR-Stallgeruch hat. Der gebürtige Siegburger volontierte beim Sender und war bis 1992 Reporter und Chef vom Dienst für die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen. 2002 übernahm er die Leitung des ARD-Studios in Washington, seit 2006 ist er Anchorman der "Tagesthemen".

Der große Unbekannte und mögliche Favoritenschreck ist Stefan Kürten. Der Jurist kommt ursprünglich vom ZDF, wo er bis 2001 stellvertretender Sportchef war. Seitdem arbeitet er in Genf bei der EBU, dem europäischen Dachverband öffentlich-rechtlicher Sender. Kürten gilt als exzellenter Kenner des Sportrechte-Marktes. Sollen seine Kontakte der ARD die TV-Rechte an den internationalen Fußball-Vereinswettbewerben zurückbringen?

Egal, wer das Rennen macht - er darf sich auf ein stolzes Gehalt freuen: Gut 300 000 Euro pro Jahr verdient ein Intendant beim WDR, mehr als jeder andere Senderchef in der ARD.

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