Die Deutschen ticken wie Onkel Dagobert

Berlin · Analyse Weil Deutschland viel mehr Produkte exportiert als einkauft, wächst die Kritik im Ausland. Gegensteuern wäre einfach – aber es ginge uns gegen den Strich.

Donald Trump will mehr Chevrolets in Düsseldorf und weniger BMWs in New York sehen. Weshalb der US-Präsident über eine Import-Steuer nachdenkt. Als ob die deutschen Export-Erfolge staatlich gelenkt wären. Das ist eine völlig abwegige Analyse des deutschen Handelsbilanz-Überschusses. Die Amis müssen halt bessere Autos bauen, wenn sie damit in Europa Erfolg haben wollen, ganz einfach.

Anders die EU-Kommission: Sie verlangte diese Woche einmal mehr, dass Deutschland die heimische Nachfrage ankurbeln und so den Export-Druck auf andere Länder senken soll. Der große Leistungsbilanz-Überschuss der Bundesrepublik löst schon seit längerem Kritik in Brüssel aus. Deutsche Unternehmen produzieren deutlich mehr, als hierzulande verbraucht wird, viele Waren und Dienstleistungen werden exportiert. Das könne die wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum beeinträchtigen, monierte die Kommission. Mit ihren aktuellen Empfehlungen liegt die Behörde, wie zuvor schon der Internationale Währungsfonds, viel näher an der Wahrheit. Das Problem ist aus der Sicht dieser beiden Institutionen nicht, dass die Deutschen so viel exportieren. Gute Qualität kann man nicht verbieten. Das Problem ist vielmehr, dass sie die Erlöse nicht ausgeben. Sie sitzen auf ihrem Geld wie Onkel Dagobert. Der deutsche Wohlstand wächst durch Fleiß und Können, gepaart mit Sparsamkeit und niedrigen Löhnen.

Der deutsche Staat hält sein Geld zusammen, schwarze Null fast überall. Die Sozialkassen verzeichnen sogar Überschüsse. Die relative Staatsverschuldung sinkt rapide. Der Rückstau bei den Bildungsausgaben, in der Verkehrs-Infrastruktur, bei der digitalen Versorgung und beim Personal ist dafür enorm. Die Privathaushalte sparen ebenfalls wie verrückt, trotz der geringen Zinsen auf Erspartes. Und die Unternehmen investieren ihre satten Gewinne nur sehr zurückhaltend.

Spare beizeiten, dann hast du in der Not - das ist finanzielle deutsche Leitkultur. Vielleicht stammt sie noch aus der Nachkriegszeit. Volkswirtschaftlich bedeutet das bei einer so starken Export-Nation jedoch, dass die anderen Länder regelrecht ausgesaugt werden; und zwar mit jedem Produkt "Made in Germany" mehr, das sie erwerben. Deutschland will das nicht ändern, logisch. Aber alle, wirklich alle anderen, sprechen das an, immer lauter. Und damit ist es auch ein deutsches Problem.

Die Vorschläge von IWF und EU-Kommission fallen mitten in den Wahlkampf. Berlin soll Steuern senken, vor allem bei den kleinen und mittleren Einkommen, weil diese Menschen das zusätzliche Geld sofort in den Konsum stecken. Aber auch für Unternehmen soll die Belastung geringer werden, auf dass die Investitionslaune wieder steige. Der Staat soll mehr Geld ausgeben für die Infrastruktur. Die Löhne sollen kräftig steigen, vielleicht sogar der Mindestlohn. Das Renten-Niveau soll höher werden. Alles, damit das Land mehr ausgibt - und damit auch mehr importiert.

Es sind Vorschläge von konservativen Institutionen, aber viele von ihnen sind wie gemalt für den Wahlkampf der politischen Linken, von Schulz bis Wagenknecht. Und trotzdem werden die Deutschen zögern, ihnen zu folgen, nicht nur Wolfgang Schäuble. Geld ausgeben ist einfach nicht ihr Naturell. Nicht von ungefähr haben die Worte Schulden und schuldig bei uns den gleichen Wortstamm. Übrigens: Nur in der deutschen Sprache ist das so.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort