Sozialhilfe für Salafisten Der Rechtsstaat muss auch Unerträgliches hinnehmen

Wenn man ihn wie folgt erzählt, ist der Fall unfassbar: Ein Ex-Leibwächter Osama Bin Ladens lebt nicht nur unbehelligt in Deutschland, er kassiert auch ungeniert Sozialhilfe. Über 1000 Euro im Monat. Abschieben kann man den Mann nicht, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde. Ist das Land komplett verrückt geworden? Hat der Rechtsstaat alle Maßstäbe verloren? Das fragen sich nicht nur die AfD, die den Fall ausgegraben, und die „Bild“, die ihn groß rausgebracht hat. Diese Fragen stellt sich jeder.

Sozialhilfe für Salafisten: Der Rechtsstaat muss auch Unerträgliches hinnehmen
Foto: SZ/Roby Lorenz

Erzählt man aber die ganze Geschichte, dann wird das Problem klar: Sami A., Tunesier, jetzt 39, lebt schon seit über 20 Jahren in Deutschland. Er ist irgendwann Salafist geworden, ein radikaler Prediger, aber er hat sich in Deutschland selbst nichts zu Schulden kommen lassen. Er war in einem Trainingscamp von Al Qaida, das war vor 9/11. Er hat vier Kinder mit einer deutschen Frau. Was die Familie bekommt, ist das normale Niveau an Sozialhilfe, nicht mehr, nicht weniger. Die Behörden haben seit 2006 versucht, ihn abzuschieben. Es ist ein alter, bekannter Fall. Aber die Gerichte haben höchstinstanzlich entschieden, dass er nicht abgeschoben werden darf. Weil ihm in Tunesien Folter hätte drohen können und weil der Schutz der Familie ein Hinderungsgrund wäre. Sami A. hat vom Rechtsweg Gebrauch gemacht. Von einem guten Recht, das in diesem Fall nicht seines ist. Er selbst würde wohl eher die Scharia anwenden.

Das bittere Fazit lautet: Dieses Land wird so jemanden nicht los. Wie es allerdings auch viele andere Schurken nicht loswird, ob islamistischer Gefährder oder bloß Hütchenspieler vom Balkan. Es sei denn, das Land wird selbst gewalttätig, schert sich nicht um die eigenen Gesetze und Regeln. Dann wäre es so wie seine Gegner. Wer das möchte, soll das sagen.

Im Rechtsstaat kann man nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens versuchen, unerträgliche Situationen wie diese zahlenmäßig zu minimieren. Freilich muss dieser Versuch dann konsequent unternommen werden. Insofern ist es überfällig, dass die Politik jetzt handelt. 11 000 Salafisten gibt es gegenwärtig, etliche sind Gefährder und müssen rund um die Uhr überwacht werden. Nur zehn Prozent von ihnen sind Deutsche, der Rest Doppelstaatler oder Ausländer. Gefährder zu sein, ist künftig allein schon ein Abschiebegrund. Mit den Herkunftsländern will man über die Rücknahme verhandeln. Abschiebungen sollen generell schneller und rigoroser durchgeführt werden. Und selbstgeschaffene Hinderungsgründe wie weggeworfene Papiere werden nicht mehr akzeptiert.

Es ist richtig, das geltende Recht gegenüber Menschenfeinden bis zur Grenze zu nutzen, und es, wo verfassungsrechtlich zulässig, zu ihren Lasten zu verändern. Es gibt hierüber eine scharfe Debatte, in der Gruppen wie Pro Asyl als die Guten und Politiker wie Horst Seehofer als die Bösen gelten. Am Fall Sami A. sieht man, dass sich diese Bewertungen schnell ins Gegenteil verkehren. So jemanden nicht abzuschieben, ist nicht gut, weder für das Rechtsverständnis, noch für die Akzeptanz der Demokratie.

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