Inszenierte Schnappschüsse

Berlin. Andreas Mühe investiert viel Zeit in die Beiläufigkeit. Zwar wirken seine Fotografien wie spontane Schnappschüsse. Doch der 30-Jährige hat alles sorgfältig inszeniert, um eine Szene "zum eigenen Foto zu machen", wie er sagt

Berlin. Andreas Mühe investiert viel Zeit in die Beiläufigkeit. Zwar wirken seine Fotografien wie spontane Schnappschüsse. Doch der 30-Jährige hat alles sorgfältig inszeniert, um eine Szene "zum eigenen Foto zu machen", wie er sagt. Mit dem früheren DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz diskutierte er 20 Minuten lang, ob dieser fürs Bild die Heckenschere in der linken oder rechten Hand halten soll. Krenz in seinem Garten ist eines der Fotos, die in der Berliner Galerie Camera Work zurzeit zu sehen sind — in Mühes erster Werkschau, die von seinem Förderer, dem bekannten Fotografen und Sammler F.C. Gundlach, kuratiert wurde.

Die meisten Bilder sind Porträts oder Gruppenbilder: von Künstlern und Schauspielern wie Markus Lüpertz, Hannah Herzsprung und seiner Halbschwester Anna Maria Mühe sowie von Politikern wie Angela Merkel, Helmut Kohl, George Bush und Michail Gorbatschow. Zu den ausgestellten Werken aus den Jahren 1997 bis 2010 gehören aber auch szenische Aufnahmen: in der verfallenen Schwimmhalle der Olympischen Spiele von 1936, auf der Zugspitze und dem Obersalzberg.

Ob er will oder nicht, und inzwischen will er eigentlich nicht mehr: Der im damaligen Karl-Marx-Stadt geborene Mühe wird oft mit zwei Namen in Verbindung gebracht. Der eine ist der seines berühmten Vaters, dem verstorbenen Schauspieler Ulrich Mühe, der andere der der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er mehrfach vor der Linse hatte. "Ich bin kein Promifotograf", betont Mühe. Und Kanzlerfotograf will er auf keinen Fall genannt werden. Für ihn gilt: "Egal wer drauf ist, das Bild allein muss funktionieren."

Wie um dies zu unterstreichen, lichtet er seine Motive von hinten oder der Seite ab oder zeigt sie nur klein. Man muss genau hinsehen, um in dem Rentner mit der Heckenschere Krenz zu erkennen. Und weiß man nicht zufällig, dass Mühe mit Merkel im Botanischen Garten war, so könnte die Dame im dunklen Anzug, die vor einem Baum steht und über einen Weiher blickt, auch jemand ganz anderes sein. Die Redaktionen hätten erst Probleme mit solchen Porträts gehabt, sagt Mühe, der für Magazine von "Spiegel" über "Stern" bis zu "Vanity Fair" fotografierte. "Jetzt haben sie sich dran gewöhnt."

So statisch und ruhig seine Bildkompositionen erscheinen: "Ein bisschen Action braucht man auch", sagt Mühe. Er fotografiert analog mit Großbildkamera und auf Stativ. Bis vor einem halben Jahr hat Mühe keine Digitalkamera besessen, dann schenkte ihm eine Firma eine. Zwei Bilder hat er damit erst gemacht, sagt er. "Das Digitale ist so unwirklich und vergänglich." Mühes Bilder, darunter auch Landschafts- und Architekturfotografien, werden gern als geheimnisvoll und fast mystisch beschrieben. Auch wird das besondere Vertrauen gelobt, dass die Porträtierten ihm schenkten. Darüber muss er schmunzeln. Das werde "reininterpretiert", sagt er. Und: "Manchmal stimmt die Chemie auch nicht." Für ihn ist das Geheimnis seiner Fotografien "gute Vorbereitung und eine gute Idee". Und dann ist da noch seine Intuition, die über allem steht: "Wenn das Gefühl zum Bild nicht stimmt, dann mache ich es auch nicht."

Läuft bis 6. März in der Berliner Galerie Camera Work. Im Internet:www.camerawork,de

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