Aufstand im Gefängnis der Frauen

Saarbrücken · Der Saarbrücker Ballettdirektor Stijn Celis zeigt wieder ein Handlungsballett: Nach „Peer Gynt“ hat er nun „Bernarda Albas Haus“ des spanischen Dramatikers Federico Garcia Lorca (1898-1936), einen Klassiker der Weltliteratur, tänzerisch umgesetzt. Am Sonntag ist Premiere in der Alten Feuerwache.

 Neid, Hass, Missgunst und Schmerz: Die fünf Schwestern in „Bernarda Albas Haus“ sehnen sich verzweifelt nach Selbstbestimmung in einem männlich dominierten System. Foto: Bettina Stöss

Neid, Hass, Missgunst und Schmerz: Die fünf Schwestern in „Bernarda Albas Haus“ sehnen sich verzweifelt nach Selbstbestimmung in einem männlich dominierten System. Foto: Bettina Stöss

Foto: Bettina Stöss

Als Federico Garcia Lorca "Bernarda Albas Haus" schrieb (1936), stand Spanien kurz vor einem Bürgerkrieg, der 1939 mit dem Sieg des Militärs in der katholisch-nationalistischen Franco-Diktatur endete. Die spanische Gesellschaft war sozial und politisch tief gespalten, viele lehnten sich gegen überkommene Wertvorstellungen und die Bevormundung durch die katholische Kirche auf. Nicht nur die republikanische Staatsordnung - es gab damals eine kurze Phase der Demokratie in Spanien - auch die traditionelle Familienordnung stand infrage. All diese Themen spiegeln sich in Lorcas Drama wider, der 1936 von den Franquisten ermordet wurde.

In "Bernarda Albas Haus" geht es um eine tyrannische Mutter, die nach dem Tod des Vaters ihre fünf Töchter zu acht Jahren Trauer in der Isolation des Elternhauses verdammt - wie es eine alte Familientradition vorschreibt. Als sich eine der Töchter in den Verlobten ihrer ältesten Schwester verliebt und aus dem häuslichen Gefängnis ausbrechen will, kommt es zur Katastrophe.

"Das Stück passt gut zur heutigen Situation", sagt Stijn Celis und nimmt Bezug auf die zunehmende Radikalisierung politischer und religiöser Bewegungen weltweit. "Es geht um die Bitterkeit der unterdrückten Frauen und ihre Sehnsucht nach Freiheit." Eine feministische Interpretation von Lorcas Stück liegt auf der Hand, geht es doch um die (auch sexuelle) Emanzipation der Frau. Männer kommen in Lorcas Stück physisch nicht vor - sie sind aber dennoch präsent, wirken aus dem Jenseits (der Vater) oder sind Objekt der Begierde (der Verlobte). Das patriachalische Unterdrückungssystem funktioniert auch deshalb so gut, weil Frauen wie Bernarda Alba dessen Mechanismen übernommen haben und sie umsetzen. Weil Bernarda für die Durchsetzung des Patriachats steht, lässt Stijn Celis ihre Rolle konsequenterweise von einem Mann tanzen (Pascale Séraline). "Männer tauchen in meinem Stück als Symbole des Machismo auf", erklärt der Choreograf.

Das Publikum erwartet ein düsteres, tragisches, hoch emotionales Stück. Die Bühne erweitert sich bis in den Zuschauerraum. Getanzt wird auf aufgerissenem Parkett, was eine Herausforderung für die Tänzer sei. Und auch der Komponist der Musik für "Bernarda Albas Haus", der Flamencogitarrist Michio (mit saarländisch-japanischen Wurzeln), wird sich in diesem Raum bewegen und die Performance live begleiten. Die Zusammenarbeit mit Michio bezeichnet Stijn Celis als "Glücksfall". Der intensive musikalische Austausch habe ihn sehr inspiriert. Man habe zusammen mit dem Ensemble die komplizierten spanischen Flamenco-Rhythmen erarbeitet. "Es wird beispielsweise anders gezählt", erklärt Celis. Zu hören sein werden charakteristische Elemente des Flamenco , kombiniert mit gesampelten elektronischen Rhythmen und vielen ungewöhnlichen Klängen, denn Michio benutzt beispielsweise auch Alltagsgegenstände, um Klänge zu erzeugen.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, Alte Feuerwache. Karten: Tel. (06 81) 30 92 486. Weitere Mai-Termine: 8./10./16..

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort