Das ganz reale Schlaraffenland

Bologna · In der Emilia Romagna findet sich alles, was man an Italien einfach lieben muss: Großartige Kultur, köstliches Essen und die schönsten Autos der Welt. Noch dazu hält sich der Tourismus rund um Bologna in Grenzen.

 Bologna trägt auch den Beinamen, „la Rossa“, die Rote, weil statt teurem Marmor günstige Klinker über Jahrhunderte der wichtigste Baustoff waren. Auch das Rathaus an der Piazza Maggiore wurde damit errichtet. Fotos: APT Servizi Emilia-Romagna

Bologna trägt auch den Beinamen, „la Rossa“, die Rote, weil statt teurem Marmor günstige Klinker über Jahrhunderte der wichtigste Baustoff waren. Auch das Rathaus an der Piazza Maggiore wurde damit errichtet. Fotos: APT Servizi Emilia-Romagna

Wie könnte man wohl die Emilia Romagna am besten erklären? So vielleicht. Mit Luciano Pavarotti und seinem Ferrari . Kinder dieses von seinen stolzen Nachbarn Lombardei, Toskana und Venetien eingezwängten - und daher oft unterschätzten - Landstrichs sind sie nämlich beide. Als die Sportwagenschmiede Ende der 80er-Jahre ihren Ferrari F 40 kreierte, das rasanteste Rot auf Rädern damals, wollte, naturalmente, auch der Jahrhunderttenor einen haben. Klar bekam der stimmgewaltigste Sohn Modenas seinen F 40. Nur mit dem Fahren… Zu schmal der Sitz, zu mächtig Pavarottis Leib.

Und damit ist man schon - nach Kultur und Motorenkunst - bei Punkt drei, der die Emilia Romagna so einzigartig macht. Manche sagen auch verhängnisvoll. Beim Essen nämlich. Dazu gehören die Salami, die Würste, die Schinken, unter denen der berühmte Proscuittio di Parma nur eine Verführung ist. Dann der Parmiggiano Reggiano, diese 80-pfündigen Käsewalzen. Und der Aceto Balsamico , für dessen süße Göttlichkeit das Wort Essig doch arg blasphemisch tönt. All das stammt aus der Emilia Romagna, dem ganz realen Schlaraffenland.

Kalorienbewusstere Zeitgenossen nennen den Landstrich nördlich des Apennin, dessen Städte sich an der alten Römerstraße Via Aemilia aufreihen, allerdings den "Bauch Italiens". Und seine Metropole "la grassa", die Fette. Wobei Stadtführerin Monica subito insistiert. Ihr Bologna , sagte sie, das bereits die Etrusker gründeten, habe doch schönere Beinamen. Zum Beispiel "la rossa", die Rote. Zum einen, weil hier wenig mit teurem Marmor, viel aber mit roten Klinker gebaut wurde. Aber auch, weil die 380 000-Einwohner-Stadt lange von Kommunisten regiert wurde. Bis 1999 ein Rechter ihnen die Macht abjagte. Ein gelernter Metzger übrigens. Also doch wieder Essen.

Noch einen Ehrennamen trägt Bologna , betont Monica: "la dotta", die Gelehrte . Das rührt von der ältesten Universität Europas her, die nach offiziellen Angaben im Jahre 1088 gegründet wurde. Im Palazzo dell'Archiginnasio, 1563 erbaut, heute Museum, wächst die Ehrfurcht mit jeder ausgetretenen Stufe, die man nimmt. Halb Europa studierte hier, lernte etwa moderne Medizin, sezierte im Anatomischen Theater Leichen, was der Kirche so gar nicht passte. Alles unter den Blicken der "Spellati", der Enthäuteten, anatomisch präzise Holzskulpturen und schaurige Ururahnen heutiger Plastinate eines Gunther von Hagens .

Beeindruckend gewiss, aber auch bedrückend irgendwie. Und man ist froh, dass einen Bologna danach mit der Weite seiner Piazza Maggiore auf andere Gedanken bringt. Gierig saugt man unter den kilometerlangen Arkaden das Leben der quirligen Einkaufsstadt auf. Bummelt ins Quadrilatero, wo sich die Fressgässchen kreuzen, das Abzocken von Touristen aber noch kein Volkssport ist.

Von Bologna sind es entlang der Via Aemila nur 30 Kilometer nach Modena. Für die Römer war das noch eine Tagesreise. Mit einem Maserati , einem Lamborghini oder einem Ferrari , die alle aus der Emilia Romagna kommen, reicht das gerade, um das Motoröl warm zu fahren. Natürlich ist das Museo Enzo Ferrari in Modena Pflicht für jeden mit Benzin im Blut. Aber auch andere Besucher kommen auf ihre Kosten. Schon wegen der spektakulären Architektur des Museums, dessen Dach ausschaut wie eine riesige Motorhaube. Im Showroom geht es wenig um Hubraum-Geschichte, man inszeniert vielmehr den Mythos Ferrari , diese Mixtur aus kostspieligem Blech und seinen Promi-Besitzern. Auch Pavarottis F 40 parkt nun hier. Heute übrigens gehört der Wagen Formel-1-Pilot Sebastian Vettel .

Doch es ist nicht nur die schönste Form der Schnelligkeit, die Modena für sich beanspruchen darf. Man pflegt hier auch die Kunst des Wartens. Wer nämlich Aceto Balsamico herstellen will, muss geduldig sein, erklärt Claudio Giusti. Seiner Familie gehört die älteste Acetaia Modenas. Seit 1605 erschafft man hier diese besonderen Essige.

Claudio war früher Manager in großen Lebensmittelkonzernen, interessiert sich wenig für seine Familientradition. Nun aber hat er sich darauf eingelassen. Und wacht mit Argusaugen darüber, wie in Holzfässern auf heißen Dachböden Weinsud über Jahre einreduziert und zum Balsamico reift.

Währenddessen überlegt er sich, wie man eine über 400 Jahre alte Firma lebendig halten und den Besuch in seiner Acetaia zum Erlebnis für Reisende machen kann. Eine Idee sind die Angebote von "Pavarotti & Ferrari Land", bei denen er auch mitmacht. Und zu essen gibt es, wen wundert's, bei diesen Touren natürlich auch reichlich.

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 Im Museo Enzo Ferrari in Modena setzt man die edlen Sportwagen wie Filmstars in Szene. Hier ein rarer Ferrari 250 Europa, dessen elegante Karosserie ein Meisterstück von Pininfarina ist.

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 Wo der Himmel voller Schinken hängt: Einer der vielen Lebensmittel-Läden in Bologna.

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Hintergrund Wer Italien, vor allem aber die Emilia Romagna, wirklich für sich entdecken möchte, schafft das am besten beim Kochen. Die Firma "Italy Food Nest" mit Sitz in Bologna bietet dazu außergewöhnliche Kochkurse an. Man ist dazu stets zu Gast bei Privatleuten - hat man Glück, öffnet sich so sogar das Tor zu einem Bologneser Stadtpalast. Gekocht wird mit wenigen Anderen und danach wird auch gemeinsam getafelt, wobei sich die Gelegenheit zu Gesprächen mit den Gastgebern bietet. Man richte sich an "Reisende " nicht an Touristen , heißt es beim Veranstalter "Italy Food Nest". Die Kurse finden nur nach vorheriger Vereinbarung statt. Gute 100 Euro sollte man pro Person kalkulieren. oli www.italyfoodnest.comwww.emiliaromagna- turismo.it/de

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