Integration Schneller integriert mit Führerschein

Saarbrücken · Wer eine Fahrerlaubnis hat, erhöht oftmals seine beruflichen Chancen. Dies geht auch den geflüchteten Menschen nicht anders, die nach Deutschland gekommen sind. Aziz Rahimi aus Afghanistan hat alle Fahrprüfungen gemeistert.

Aziz Rahimi erinnert sich noch gut an die Lektionen, als er sich mittels einer App in persischer Sprache an die theoretischen Lerninhalte für die Führerscheinprüfung annäherte. Das Wort Fahrstabilität hatte es besonders in sich: „Der Übersetzer versuchte ebenso wortreich wie verzweifelt, diesen Fachbegriff zu übersetzen und redete von Fahrzeugkarosserie, Kurvenfahrten und Geschwindigkeit.“

Schlussendlich absolvierte der 35-jährige Afghane seine theoretische Prüfung mit Bravour und selbstverständlich auf Deutsch. „Ich hatte schon etwas Bammel vor dem Termin, obwohl ich wusste, dass ich es schaffen werde. Mein Ziel lautete null Fehlerpunkte.“ Das ist ihm gelungen. Am Prüfungstag als Einzigem in seiner bunt gemischten Nationalitäten-Gruppe, einschließlich deutscher Muttersprachler.

Rahimi hat schon ganz andere Hürden genommen. 7000 Kilometer kam er im Jahr 2015 von Afghanistan nach Deutschland. Schnell entwickelte er einen groben Plan. Schritt eins: Deutsch lernen, Schritt zwei: Arbeit finden, Schritt drei: Führerschein machen, Schritt vier: Wohnung mieten. Momentan steht er zwischen Etappe drei und vier. Fragt man ihn nach seiner Motivation, warum er unbedingt eine Pkw-Fahrerlaubnis bekommen wollte, formuliert der diszipliniert Voranschreitende ziemlich klar: „Sie erhöht meine privaten und beruflichen Chancen.“

Ganz glatt lief es bei Rahimis Bestreben, einen deutschen Führerschein zu erlangen, natürlich nicht. Zunächst einmal musste er erkennen, dass es hierzulande mit einem einfachen Umschreiben seiner afghanischen Fahrerlaubnis nichts werden würde. Solche Momente der Enttäuschung kennt Peter Keck. Der Amtsleiter meint: „Leider ist bei afghanischen Führerscheinen eine komplette Ersterteilung notwendig. Auch wenn das Originalführerscheindokument vorliegt, müssen für alle Klassen Prüfungen abgelegt werden.“ Also nahm Rahimi Kontakt zu einer Fahrschule nahe seiner Unterkunft auf, ließ sich das ganze Prozedere erklären und staunte nicht schlecht über Dauer, Kosten und Inhalte. Kein Vergleich zu seinem Führerscheinerwerb vor 13 Jahren in Afghanistan!

Nach Rahimis Erzählungen folgt in seiner Heimat nach Augentest und Erste-Hilfe-Kurs ein rund zweiwöchiger Theoriekurs am Abend, der mit einer schriftlichen Prüfung abgeschlossen wird. Danach geht es in die Praxis: Man sucht sich einfach jemanden mit Führerschein, der einen privat ein paar Stunden am Steuer begleitet. Sobald man sich am Steuer soweit sicher fühlt, folgt die Prüfung. Auf einer ausgewiesenen Strecke über ein paar Kilometer im öffentlichen Verkehr zeigt man seine Fähigkeiten mit einem Privatwagen beim Beschleunigen, Bremsen, Kurvenfahren und Parken.

„Der Prüfer beobachtet die verschiedenen Manöver und schaut, ob man Herr der Lage ist.“ Gravierend anders gestaltet sich die Höhe der Kosten, denn im Schnitt ist man mit umgerechnet rund 250 Euro Eigentümer eines afghanischen Führerscheins. Allerdings muss er formal alle fünf Jahre erneuert werden, samt medizinischem Check. Dabei fällt jedes Mal eine Gebühr von circa 100 Euro an. In einer extra Spalte werden auf dem Fahrerlaubnis-Dokument polizeiliche Auffälligkeiten vermerkt, also ob man beispielsweise einen Unfall verursacht hat und ob es überdies zu Personenschäden kam. „Damit wir uns nicht falsch verstehen, auch wir haben eine Straßenverkehrsordnung“, sagt Rahimi, „aber in Afghanistan gibt es viel weniger Schilder und Regeln.“

Noch immer staunt der Autobegeisterte in deutschen Gefilden über die zahlreichen Verordnungen zum Parken. „Allein über den hiesigen korrekt ruhenden Verkehr könnte man eine Doktorarbeit schreiben“, fügt er lächelnd hinzu und pilotiert Minuten später seinen Fahrschulwagen konzentriert in drei Zügen rückwärts in eine freie Parkbucht.

Fahrlehrer Georg Heinze ist zufrieden mit seinem Zögling und kann verstehen, dass es dem gelehrigen Schüler nicht schnell genug geht mit dem praktischen Fahrtraining. „Um sich sicher auf unseren stark befahrenen Straßen mit dem strengen Regelwerk bewegen zu können, braucht er entsprechende Übung. Darin unterscheidet er sich von keinem anderen Anfänger.“

Rahimi gibt sich seinem Schicksal, vieles von Grund auf neu lernen zu müssen, gefasst hin. Es tröstet ihn, dass er von seinen deutschen Freunden hört, auch sie hätten nach mehrjähriger Fahrpraxis sicher Schwierigkeiten, die theoretische und praktische Fahrschulprüfung zu bestehen.

Oftmals werde er sogar gefragt, wie man sich in dieser oder jener Situation richtig zu verhalten habe. „Und wenn ich mal frage, ob man bei einer abknickenden Vorfahrt blinken muss, sofern man die Hauptstraßenführung verlässt, antworten die meisten falsch.“

Zu den kuriosesten Schildern gehört nach seiner Meinung die Vorsicht-Reiter-Warntafel. Jedoch sei es im Prinzip ganz gut, dass man darauf hingewiesen werde. „Selbst wenn der Fall selten eintritt, ist man dann doch mit erhöhter Vorsicht in solchen Gegenden unterwegs. Das zeigt die typische deutsche Perfektion, vor der ich großen Respekt habe.“

Aziz Rahimi hat viele Monate auf seinen Führerschein gespart und ist nun stolzer Besitzer dieser Fahrerlaubnis. Auch das Geld für einen eigenen Gebrauchten hat er zusammen. Bedenken plagen ihn nicht, sich durch den hektischen deutschen Straßenverkehr zu schlängeln. Obendrein sieht er sich keinesfalls gefährdet, den verhängnisvollen Fahranfänger-Fehlern zu erliegen: „Ich trinke keinen Alkohol, und bin auch kein Tempo-Jäger. Gelassenheit war eine der ersten Verhaltensweisen, die ich in Deutschland gelernt habe.“

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