Verdacht auf Behandlungsfehler

Berlin · Ist bei der Operation etwas schiefgelaufen? Beim Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler sollten sich Patienten von unabhängigen Experten beraten lassen. Hilfe gibt es bei der Krankenkasse, aber auch an anderen Stellen.

Schmerzen nach einer Operation oder andauernde Probleme mit dem künstlichen Hüftgelenk lassen den Verdacht aufkeimen, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Solche Fälle sind gar nicht so selten. Im Jahr 2013 haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern 7922 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. 2243 Mal lag eindeutig ein Behandlungsfehler vor.

"In 1864 Fällen wurde ein Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt", sagt Samir Rabbata von der Bundesärztekammer. "Diese Betroffenen haben Anspruch auf Entschädigung." Hilfe finden Patienten bei der eigenen Krankenkasse, der Unabhängigen Patientenberatung sowie bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern.

Sorgfaltspflicht verletzt

"Die Krankenkassen entscheiden ja nicht nur über die einzelnen Leistungen, die den Patienten zustehen, sondern müssen ihren Versicherten gegebenenfalls auch helfen, gegen Behandlungsfehler vorzugehen", erklärt Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung. Entbindet der Versicherte den Arzt von der Schweigepflicht, kann die Kasse die Akten anfordern und prüfen. Gibt es dabei Hinweise auf einen Behandlungsfehler, kann der Patient juristisch gegen den Arzt vorgehen.

"Allerdings liegt nicht unbedingt ein Behandlungsfehler vor, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt", sagt Kai Behrens, Pressesprecher des AOK-Bundesverbandes. Außerdem sei nicht jedes unerwünschte Ereignis vermeidbar. Viele Operationen haben beispielsweise Risiken, die auch ohne ärztlichen Fehler eintreten können. "Wenn aber Patienten Schäden erleiden, weil der Arzt seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, dann ist die Rede von Behandlungsfehlern. In diesen Fällen helfen wir unseren Versicherten bei der Klärung."

Ein Behandlungsfehler liegt auch vor, wenn der aktuelle Stand des medizinischen Wissens nicht beachtet wurde. "Behandlungsfehler können entstehen, wenn der Arzt Falsches tut oder auch Bestimmtes unterlässt", erläutert Ann Marini. Daneben sind auch organisatorische Fehler oder nachlässiges Verhalten von Mitarbeitern des Arztes denkbar. Als Behandlungsfehler kann auch gewertet werden, wenn der Mediziner seinen Patienten falsch, unverständlich oder unvollständig aufklärt.

Solche Fehler können durch ein Gutachten aufgedeckt werden, das die Kasse für ihren Patienten in Auftrag geben - kostenfrei, wie Patientenberaterin Michaela Schwabe von der Unabhängigen Patientenberatung erklärt. Auch dorthin können sich Patienten wenden und sich gratis beraten lassen, wenn sie den Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben.

Patient muss Fehler beweisen

Weitere Ansprechpartner sind die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern. "Sie bieten eine Begutachtung durch unabhängige Experten und eine außergerichtliche Schlichtung des Streits, wenn der Patient dem Arzt einen Behandlungsfehler vorwirft", sagt Samir Rabbata. Der Patient könne in einem Verfahren, das für ihn gebührenfrei ist, überprüfen lassen, ob sein Vorwurf gerechtfertigt ist. "In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Seiten akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt."

Sobald es um die Zahlung einer Entschädigung geht, sollten Patienten einen Fachanwalt für Medizinrecht einschalten. "Er sollte im Bereich des Arzthaftungsrechts tätig sein und nach Möglichkeit ausschließlich Patienten vertreten", betont Peter Gellner, Fachanwalt für Medizinrecht und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Patientenanwälte. Sein Bremer Kollege Lovis Wambach verweist darauf, dass auch bei Patientenanwälten Erstberatungen oftmals kostenfrei sind.

"Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Patient einen ärztlichen Behandlungsfehler nachweisen muss", erklärt Wambach. Daher sei es wichtig, das Erlebte möglichst umgehend aufzuschreiben. "Denn die Erinnerung verblasst mitunter schnell", sagt Gellner. Auch Fotos können sinnvoll sein. Ebenfalls wichtig sind Zeugen, deren Namen und Adressen notiert werden sollten. "Das können zum Beispiel Bettnachbarn im Krankenhaus sein", sagt Patientenberaterin Schwabe.

Verdichten sich durch ein medizinischen Gutachten die Hinweise auf einen Behandlungsfehler, kann sich der Patient mit dem Arzt außergerichtlich einigen. "In der Regel können neben Schmerzensgeld auch Schadensersatzansprüche etwa für Verdienstausfall oder Medikamentenzuzahlungen geltend gemacht werden", sagt Wambach. Die Höhe des Schmerzensgelds richtet sich nach dem Ausmaß der erlittenen Verletzungen. "Im Fall schwerster Querschnittslähmungen liegt sie im Bereich über 600 000 Euro", erklärt Gellner.

Weitaus bedeutsamer könne jedoch der Schadensersatz sein, da sich Verdienstausfall und Pflege auf mehrere Millionen Euro addieren könnten. Je höher die Schadensersatzforderungen sind, desto schwieriger wird es, den Streit außergerichtlich beizulegen. Dann führt an einem Prozess oft kein Weg vorbei. "Und der kann sich Jahre hinziehen", sagt Anwalt Wambach.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) berät Betroffene im gesetzlichen Auftrag zum Thema Gesundheit, auch bei rechtlichen Fragen. Bundesweites Beratungstelefon, Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Festnetz: (08 00) 0 11 77 22, Handy: 030 34 04 84 48.

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