Gefährliche Querfeldeinfahrten Die Rad-Rowdys kommen aus dem Internet

Friedrichsdorf · Waldbesitzer sehen ein zunehmendes Problem darin, dass Radfahrer illegale Wege online verbreiten und zu Rennpisten machen.

  Fahrradfahren im Wald ist grundsätzlich erlaubt, aber bei hohem Tempo und abseits befestigter Wege, kann es – auch für Unbeteiligte – gefährlich sein. 

Fahrradfahren im Wald ist grundsätzlich erlaubt, aber bei hohem Tempo und abseits befestigter Wege, kann es – auch für Unbeteiligte – gefährlich sein. 

Foto: dpa/A3250 Oliver Berg

Fahrrad-Strecken in Wäldern brauchen weder Markierungen noch Wegweiser. Mit Handyprogrammen lassen sich die besten Routen durchs Unterholz mit der satellitengestützen  Navigationstechnik GPS aufzeichnen und im Internet verbreiten. Jeder kann diese nachfahren, auch abseits der offiziellen Wege. So wird aus einem Geheimtipp eine vielbefahrene Rennpiste. Es entstehen illegale Waldwege, auf denen Radfahrer für andere Waldnutzer zur Gefahr werden können.

Besonders das Downhillfahren – dabei geht es steile Strecken mit hoher Geschwindigkeit hinab – steht in der Kritik. „Die Entwicklung spitzt sich zu, vor allem in den Wäldern rund um Ballungsgebiete“, sagt Christian Raupach, Geschäftsführer des Hessischen Waldbesitzerverbands. Es sei eine Minderheit, die den Wald unsicher mache: 90 Prozent der Radfahrer verhielten sich regelkonform. Das Problem seien „die zehn Prozent, die sich querbeet bewegen und bei offenen, digitalen Karten Daten einstellen“. Sie animierten andere Zweiradsportler, es ihnen nachzumachen.

Grundsätzlich darf sich jeder im Wald bewegen: „Rechtlich ist das Betreten zum Zweck der Erholung erlaubt“, sagt Raupach. Ausgenommen seien Flächen für Holzernte und Stellen, an denen der Wald sich verjüngt. „Wenn Leute abseits der Wege Pilze suchen, ist das kein Problem.“ Laut Raupach ist es die Geschwindigkeit, die Mountainbiker zur Gefahr macht.

„Die rasen, ohne es zu wissen, in Gefahrenzonen“, sagt Petra Westphal, Sprecherin von Hessen Forst. Das Land ist der größte Waldbesitzer in Hessen. Bekannte Wege könnten für eine Holzernte gesperrt werden. Bei Querfeldeinfahrten seien jedoch überraschende und gefährliche Begegnungen zwischen Radlern und Waldarbeitern möglich. Zudem gebe es Konflikte mit Spaziergängern, wenn die Fahrer schnell auf schmalen Wegen unterwegs seien. Sie störten auch Tiere. Dank Elektromotor und Hochleistungslampen eroberten die Radfahrer unwegsames Gelände und sogar die Nacht.

Waldwege müssen laut Gesetz entweder vom Waldbesitzer angelegt werden oder er muss zustimmen. „Wenn ein Waldbesitzer eine Fahrstrecke duldet, hat das immer Auswirkungen auf die Verkehrssicherungspflicht“, sagt Westphal. Deshalb seien für legale Routen Vereine oder Institutionen nötig, die Strecken pflegten, kennzeichneten und die Versicherungspflicht übernähmen.

Ohne solche Träger bleibe Waldbesitzern nur, illegale Strecken zu blockieren. „Für die Verantwortlichen vor Ort ist das eine echte Herausforderung“, erklärt Westphal. Die Routen entstehen und verschwinden schnell. In der virtuellen Welt sind die Waldbesitzer meist chancenlos. Es fehle Personal, das Geschehen zu verfolgen.

Versuche, über die App-Anbieter einen Dialog zu erreichen, waren laut Waldbesitzer-Verband nicht erfolgreich. Christian Raupach fordert daher Verbote: Kartografische Informationen über fremdes Eigentum sollten nicht einfach ins Netz gestellt werden dürfen. „Es muss eine gesetzliche Behörde geben, die das kontrolliert und den, der illegal handelt, mit einem Bußgeld belegt“, so Raupach.

Bisher sind das Aufzeichnen und Teilen der GPS-Daten unproblematisch. Laut dem Datenschutzbeauftragten des Landes verstößt es nicht gegen geltendes Recht, weil es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Auch der Digital-Branchenverband Bitkom sieht keine grundsätzlichen Probleme: „Outdoor-Sportler dürfen daher auch die von ihnen genutzten Rad- oder Wanderwege per Apps oder GPS-Geräten teilen – auch für noch nicht bekannte Wege in Privatwäldern“, sagt Rebekka Weiß, Leiterin für Verbraucherschutz bei Bitkom. Der Verband verweist auf die rechtlichen Grenzen der Waldgesetze, die sich aber nicht auf den digitalen Aspekt beziehen.

Sportverbände sind machtlos gegen die Entwicklung: Viele ­Dow­n­hillfahrer seien gar nicht organisiert, erklärt Gary Cieslewicz, Sprecher des Hessischen Radfahrverbands. „Die zahlen lieber 50 bis 60 Euro für die Teilnahme an einem Rennen als 100 Euro Jahresbeitrag.“ Der Verband appelliert an Sportler, offiziell angelegte Strecken zu nutzen.

In der Politik ist das Problem des digitalen Waldweg-Wildwuchses angekommen. Ein Runder Tisch mit Institutionen, Verbänden und Waldnutzern beschäftigt sich laut hessischem Ministerium für Umwelt damit. „Aufgrund der Anregungen am Runden Tisch wird das Umweltministerium den möglichen Umgang mit illegalen digitalen Waldwegen zunächst rechtlich prüfen“, sagt Sprecherin Julia Stoye.

Allerdings geht es nicht nur um Verbote: „Um der Entstehung illegaler Mountainbike-Strecken entgegenzuwirken, ist es notwendig, attraktive legale Angebote zu schaffen“, erklärt Stoye. So seien in Hessen in den vergangenen Jahren auf Waldflächen zahlreiche legale Mountainbike-Strecken ausgewiesen worden.

(dpa)
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