Politische Satire in Internet

Berlin · Früher wurden Politiker im Kabarett veräppelt, heute geschieht das im Netz: Fake-Profile, die sich in sozialen Netzwerken für Trump oder Merkel ausgeben, setzen sich satirisch mit politischer Inszenierung auseinander.

 Fake oder Original? Virtuelle Doppelgänger von Politikern sorgen im Internet für Gesprächsstoff. Auch US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist auf ein Fake-Profil hereingefallen.

Fake oder Original? Virtuelle Doppelgänger von Politikern sorgen im Internet für Gesprächsstoff. Auch US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist auf ein Fake-Profil hereingefallen.

Foto: Lesser/dpa

Es gibt einen Ort, an dem die Kanzlerin schimpft und zetert. "Verstehe nicht, was manche Leute mit nem ganzen Kasten Oettinger wollen. Mir reicht schon die eine Flasche in Brüssel", twittert die Satire-Figur @GrumpyMerkel, eine virtuelle Doppelgängerin mit bitterbösem Humor, der 21 000 Twitter-Nutzer folgen.

Sogenannte Fake-Profile, also gefälschte Profile, senden satirische Kurznachrichten. In Deutschland dürften es schätzungsweise mehrere Dutzend Nutzer sein, die als Politiker unter falschem Namen auftreten. Politiker-Fakes zählen damit zu den Netz-Nischen für Liebhaber des politischen Wortspiels. Als "SPDings-Parteiboss" twittert ein Sigmar Gabriel , "Bundesminister für Wirtschaften und Energiedrinks", "BeaTrix von Storch" präsentiert sich als "Alte Naive für Deutschland", und Günther H. Oettinger stellt sich vor als "Kommissar for se Internet and Digital-Irrläuferle. And for Telekom and Schelfdrivingautos."

Wissenschaftler wie Elisabetta Ferrari nehmen die virtuellen Karikaturen durchaus ernst. "Ein Fake kann eine machtvolle Kritik des Politischen sein, gerade wenn Politiker vorgeben, authentisch zu wirken", sagt die Kommunikationsforscherin, die italienische Politiker-Fakes im Netz untersuchte. "Es ist interessant zu beobachten, wie Satire dieser Art zu einem wichtigen Gegenstand in der öffentlichen Auseinandersetzung mit Politik wird."

Dies zeigt sich besonders, wenn sich Fakes unmittelbar auf die Realität auswirken. Dem "Gawker"-Blog gelang im Februar ein solch seltener Coup. Die Autoren erstellten einen Twitter-Roboter, der Sprüche des Faschisten Benito Mussolini ausspuckte und adressierten diese an den Twitter-Account Donald Trumps - in der Hoffnung, dass der US-Republikaner irgendwann darauf anspringt. Die Falle schlug zu. Trump retweetete den Satz "Es ist besser, einen Tag als Löwe zu leben als 100 Jahre als Schaf" und setzte eine Diskussion in Gang, die auch von der "New York Times" aufgegriffen wurde.

"Politische Fakes erinnern uns daran, dass wir im Internet alle Fälschungen aufsitzen, das ist Teil unseres Lebens", sagte Ferrari bei einem Treffen der Association of Internet Researchers (AoIR) an der Humboldt-Universität in Berlin . Auch André Haller von der Universität Bamberg sieht eine allgemeine Tendenz zum "Politainment", einer neuen Spielform, die Politik und Entertainment vermischt. Fake-Konten dienten in diesem Fall der Unterhaltung, sagt Haller. "Sie können aber auch als schwarze Propaganda gezielt zur Rufschädigung benutzt werden."

Doch muss sich Donald Trump tatsächlich vor gefälschten Profilen fürchten? Fakes könnten Populisten auch bekannter machen, warnt Haller. Bekräftigen sie die Stimme eines Tabubrechers, stärken sie, wenn auch ungewollt, dessen Image.

Welche medialen Wirkungen die Aussagen von Politiker-Fälschungen entfalten, lasse sich nur schwer messen, sagt Haller. Es könne aber sein, dass ihre Verbreitung die politische Debatte weiter verschärfe. Online-Kommunikationsforscher Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim hält dagegen: Nur die wenigsten Nutzer würden den Ursprung von Infos im Internet hinterfragen, gefälschte Botschaften die Meinung von Trump-Anhängern daher nur bestärken.

Und wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten aus? Der Berliner Rechtsanwalt Thorsten Feldmann hält Fake-Profile für problematisch. "Wenn jemand mit fremdem Namen oder Foto in Erscheinung tritt, könnte dies vor Gericht als Namensanmaßung oder Verletzung des Rechts am eigenen Bild gewertet werden", sagt der auf Urheber- und Medienrecht spezialisierte Anwalt. Bei satirischen Fake-Accounts in sozialen Medien stelle sich die Frage: "Erhebt ein Account einen Anspruch auf Authentizität? Tut also jemand so, als sei er Angela Merkel, oder sieht man dem Account die Satire an?" Dann könnte die Inszenierung als Kunst gedeutet werden und wäre damit zulässig.

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