Online-Konten sterben nicht

Saarbrücken · Alle drei Minuten stirbt in Deutschland ein Facebook-Nutzer, ohne entschieden zu haben, was mit seinen Beiträgen und Bildern geschehen soll. Für Angehörige wird das zum Problem. Ohne Zugangsdaten ist es kompliziert, die Online-Konten eines Verstorbenen zu löschen. Verbraucherschützer raten, sich frühzeitig um das digitale Erbe zu kümmern.

 Online-Konten bei sozialen Netzwerken und Mail-Anbietern bleiben auch nach dem Tod eines Nutzers bestehen. Was mit den Inhalten passieren soll, regelt zu Lebzeiten fast niemand.

Online-Konten bei sozialen Netzwerken und Mail-Anbietern bleiben auch nach dem Tod eines Nutzers bestehen. Was mit den Inhalten passieren soll, regelt zu Lebzeiten fast niemand.

Foto: Heber/dpa

Es war ein Hinweis in einem sozialen Netzwerk, der einer Saarbrückerin im ersten Moment die Sprache verschlug: Unter der Rubrik "Vielleicht auch interessant für Sie" wurde der 49-Jährigen ein früherer Kollege als neuer Kontakt vorgeschlagen. Doch der Ex-Kollege war zwei Tage zuvor überraschend gestorben. Der makabre Vorfall brachte die Frau dazu, zum ersten Mal über die Frage nachzudenken: Was passiert eigentlich mit meinem Profil und meinen Daten im Internet, wenn ich tot bin?

Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Wobei für Barbara Steinhöfel, Referentin für Telekommunikation und Digitale Medien, vor allem zwei Aspekte wichtig sind: "Möchte ich als digitaler Zombie ewig im Netz weiterleben?" Der andere Aspekt habe vor allem für Angehörige oft weitreichende Folgen: Denn immer mehr Geschäfte, vom Telefonvertrag über Versicherungen bis zum Energieversorger werden elektronisch abgeschlossen. "Da befinden wir uns dann auf einer ganz anderen Ebene", so die Expertin. "Denn hier geht es um vertragliche Verpflichtungen, möglicherweise auch Entgelte, die weiterlaufen. Und da wird es dann auch für die Erben interessant, wenn sie auf einmal mit Forderungen konfrontiert werden."

Was also tun, um seinen Angehörigen und Freunden nach dem Tod unangenehme Folgen - sowohl emotionaler als auch finanzieller Art - zu ersparen? Die Seite machts-gut.de gibt einen Überblick, was Internetnutzer über ihren digitalen Nachlass wissen müssen. Inklusive Test, Checklisten und einer Auflistung, wie bestimmte Internetdienste mit Todesfällen umgehen.

Die Unwissenheit ist auf beiden Seiten groß. Das hat die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz bei einer Untersuchung zum digitalem Erbe festgestellt: "Das Thema ist bisher weder in den Köpfen der Verbraucher angekommen noch bei den Anbietern. Nur bei zweien wurde es bis dahin überhaupt thematisiert", bilanziert Steinhöfel den Marktcheck bei 18 Internet-Portalen. So gibt es bei Facebook die Möglichkeit, ein Profil in einen Gedenkzustand versetzen zu lassen und einen Nachlasskontakt zu bestimmen, während Google für den Umgang mit Online-Konten Verstorbener eine spezielle Funktion hat, über die Vertrauenspersonen benachrichtigt werden. "Für alle anderen Anbieter, vor allem die Kleineren, war der ‚digitale Nachlass‘ überhaupt kein Thema", sagt die Verbraucherschützerin. "Manche haben gar nicht verstanden, was wir von ihnen wollten."

Liste mit Kennwörtern

Die Verbraucherzentrale rät vor allem zu einem: Vorsorge zu treffen. Internetnutzer sollten zwingend eine Liste mit Benutzernamen und Kennworten anlegen, auf einem gesicherten USB-Stick speichern und per Vollmacht oder Testament einen Nachlassverwalter für digitale Angelegenheiten bestimmen. Alternativ können sie auch einen gewerblichen Nachlassverwalter festlegen und beispielsweise beim Bestatter einen solchen Vertrag abschließen. Angehörige können Firmen beauftragen, die einen PC oder Laptop durchforsten, um die digitalen Spuren des Verstorbenen im Netz aufzutreiben. "Das ist aber datenrechtlich bedenklich, weil man das gesamte Gerät in die Hände Dritter gibt", sagt Barbara Steinhöfel.

Wenn die Hinterbliebenen herausgefunden haben, welche Benutzerkonten der Verstorbene hatte, müssen sie sich mit jedem einzelnen Anbieter in Verbindung setzen und mitteilen, dass der Nutzer verstorben ist. Viele der Unternehmen verlangen dann eine Kopie der Sterbeurkunde. Wer Zugriff auf ein Konto haben möchte, muss zudem einen Erbschein vorlegen. "Eine Vollmacht ist daher auf jeden Fall sinnvoller", so die Verbraucherschützerin. "Das sollten die Firmen in der Regel auch akzeptieren."

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Hintergrund Nach den Erfahrungen mit ihrer Untersuchung zum digitalen Erbe hat die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Forderungen formuliert: "Der digitale Nachlass muss genauso vererbbar sein, wie das ‚analoge‘ Erbe", heißt es im Fazit der Untersuchung. "Bestehende gesetzliche Regelungen müssen den Anforderungen der digitalen Welt angepasst werden." Und auch die Unternehmen müssten sich ihrer Verantwortung bewusst werden, meint die zuständige Referentin Barbara Steinhöfel: "Wenn jemand ein Benutzerkonto einrichtet, muss er quasi direkt mit der Nase auf das Thema gestoßen werden. Aber solche Hinweise sucht man heute auf den Internetseiten noch vergeblich." tja

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