Musik aus dem Netz immer beliebter

Cupertino/Berlin · Die Musikindustrie steht an einem Wendepunkt: Der Verkauf von CDs und heruntergeladenen Songs sinkt. Das direkte Anhören im Internet wird immer beliebter. Auch Apple bietet nun solch einen Dienst an.

John MacFarlane, Chef des Lautsprecher-Spezialisten Sonos, prognostiziert eine neue Ära im Musikgeschäft: "Die nächsten 18 Monate werden radikal verändern, wie die Menschen Musik hören." Der Manager vermutet, dass das Streaming, bei dem die Musik direkt aus dem Internet abgespielt wird, vor dem Sprung in den Massenmarkt steht. Außerdem geht er davon aus, dass der Streaming-Dienst Apple Music, der am 30. Juni startet, diesbezüglich einen entscheidenden Impuls geben wird.

Der neue Dienst geht zu einem Zeitpunkt an den Start, an dem die Musikindustrie vor einer großen Veränderung zu stehen scheint. Noch macht die Branche den Großteil ihres Geschäfts mit der guten alten CD und Songs , die man im Netz kaufen und herunterladen kann. Doch die beiden Geschäftsmodelle sind auf dem Rückzug. Musik, die direkt im Internet angehört wurde, brachte im vergangenen Jahr bereits gut ein Zehntel der weltweiten Branchenerlöse von rund 13,45 Milliarden Euro ein - und das Streaming ist weiter auf dem Vormarsch: In Deutschland hören nach Angaben des IT-Verbandes Bitkom bereits 37 Prozent der Internetnutzer ab 14 Jahren ihre Lieblingsmusik über Streaming-Dienste wie Spotify, Deezer oder Soundcloud. Die entscheidende Frage aus Sicht der Musikindustrie ist nun, ob die heutigen CD- und Download-Käufer sich für kostenpflichtige Abo-Dienste oder Gratis-Musik bei der Videoplattform Youtube sowie kostenlosen Streaming-Portale entscheiden werden. Können die heutigen Verkaufsumsätze in das Zeitalter nach der Internet-Revolution herübergerettet werden? Oder muss die Branche schmerzhafte Einbußen hinnehmen?

"Die großen Musikkonzerne sind der Meinung, dass kostenlose Streaming-Dienste verschwinden müssen. Die Frage ist, wie schnell und auf welche Weise das erreicht wird", sagt ein Branchen-Insider, der anonym bleiben möchte. Dabei hofften sie auch auf die Zugkraft des neuen Streaming-Dienstes von Apple . Die Zahlen des aktuellen Streaming-Marktführers Spotify machen deutlich: Die Mehrheit der Anwender ist bislang nicht bereit, fürs Streamen zu bezahlen. Sie nehmen lieber eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit von Spotify in Kauf. Unter den zuletzt 75 Millionen waren nur 20 Millionen zahlende Abo-Kunden. Und in Deutschland, so der Verband Bitkom, zahlt nur jeder Fünfte fürs Streaming.Zudem holen sich viele Millionen Nutzer die Musik bei Googles Videoplattform Youtube. In Deutschland sind auf dem Portal allerdings einige Videos wegen Lizenzverhandlungen zwischen der Plattform und der Musikverwertungsgesellschaft Gema nicht verfügbar. Der Großteil der Videos ist jedoch nicht davon betroffen.

Schliesche zeigt sich überzeugt davon, dass auch große Apple-Konkurrenten wie Spotify und Napster zulegen werden, wenn der iPhone-Konzern die Aufmerksamkeit auf das Geschäftsmodell insgesamt gelenkt hat. Dagegen geht er davon aus, dass Musikanbieter, die schon heute Probleme hätten, wahrscheinlich noch größere Schwierigkeiten bekommen werden. "Man muss in dem Geschäft eine gewisse Größe haben, um die Kosten der Plattform auf möglichst viele Kunden umlegen zu können."

Apple steigt ins Streaming-Geschäft zudem mit einem gewissen Vorteil ein: Der Konzern kann auf einen Stamm von rund 800 Millionen Kunden zählen. Viele davon sind es momentan bereits gewohnt, für das Herunterladen von Musik zu bezahlen.

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