Frauen sind nicht mitgemeint

Frau Professor Maier klingt gewohnt, Herr Professorin Müller schräg. Im Deutschen wird häufig die männliche Form einer Vokabel für beide Geschlechter genutzt. Doch davon fühlen sich viele Frauen nicht angesprochen, zeigt eine Untersuchung der Uni Freiburg.

Saarbrücken. Wenn Evelyn Ferstl ihr wöchentliches Pilates-Training absolviert (fünf Frauen , eine Übungsleiterin), ist sie irritiert, wenn es heißt "und jetzt nimmt mal jeder den Ball". Sie fühlt sich da nicht angesprochen. Mit "jeder" wären ja - nicht teilnehmende - Männer gemeint. Die Psychologin vom Institut für Informatik und Gesellschaft an der Uni Freiburg nutzt das Beispiel, um zu demonstrieren, wie allgegenwärtig das sogenannte generische Maskulinum die deutsche Sprache dominiert.

Damit ist die Sprachform bezeichnet, die mit Formulierungen wie der Student, der Busfahrer, der Rentner vorgibt, in einem größeren Kontext auch Frauen einzuschließen.

Seit zwei Jahrzehnten wird versucht, der Gleichberechtigung sprachlich auf die Sprünge zu helfen. Die Erfolge sind nicht überwältigend. Das Thema ist sensibel, Alleingänge werden in der Sprachgemeinschaft oft mit Hohn und Spott bedacht. Etwa als die Uni Leipzig ihre Grundordnung im generischen Femininum verabschiedete. Wenn dort von Professorinnen die Rede ist, sind männliche Lehrstuhlinhaber mitgemeint. Dabei sollte die Aktion auf die Willkür im Sprachverhalten hinweisen, männliche Formen zu bevorzugen.

"Liebx Profx"

Spott erntete anfangs auch die Sprachwissenschaftlerin Lann Hornscheidt von der Humboldt-Uni Berlin. Sie will das Geschlecht grundsätzlich aus der Sprache eliminieren oder neutralisieren. Hornscheidt möchte nicht mit "Frau Professor" oder "Frau Professorin" angeredet werden, per Brief oder E-Mail auch nicht mit "Liebe Frau (...)" oder "Sehr geehrte Frau (...)". Anstelle der Genus-Endungen des Wortes setzt sie ein "x": "Liebx Profx". Das kann man natürlich nicht gut aussprechen und es klingt albern. "Es geht um die Idee", sagt Ferstl. Gängige Formen der Neutralisierung wären noch die Partizipform, etwa Studierende statt Studenten, der Plural oder neutrale Begriffe wie Fahrgast oder Person.

Zu den Hauptargumenten der Sprachpuristen gegen eine Reform zähle auch der Hinweis, so die Psychologin Ferstl, dass Frauen beim generischen Maskulinum eingeschlossen seien. Doch das sei falsch. Die Forschung zeige, dass Frauen sich nicht mitgemeint fühlen, und Männer Frauen beim Nutzen generisch maskuliner Wortformen auch nicht unbedingt ansprechen. Reaktionen auf gesprochene und geschriebene Sprache untersucht die Psychologin Evelyn Ferstl unter anderem durch die Analyse der elektrischen Aktivität des Gehirns von Testpersonen oder durch den direkten Blick ins Hirn mit bildgebenden Verfahren. Dabei zeigt sich zum Beispiel, ob ein Satz leicht verständlich ist, oder ob er eine Irritation hervorruft, etwa durch einen grammatischen Fehler oder eine falsch benutzte Vokabel. Die Reaktionen auf den Satz "Er bestreicht sein Brot mit Butter" sieht im EEG vollkommen anders aus als "Er bestreicht sein Brot mit Socken".

Ganz ähnlich können die Forscher erkunden, wie ein Mensch reagiert, wenn er von Chirurgen oder Mechanikern hört, bei denen sich im weiteren Verlauf der Geschichte aber herausstellt, dass dabei von Frauen die Rede war. "Ein weiblicher Mechaniker wirkt im EEG wie ein grammatikalischer Fehler", erklärt Ferstl. Sie schließt daraus und aus anderen Studien: Frauen sind nicht mitgemeint, wenn Männer oder Frauen generische maskuline Formulierungen verwenden.

So etwas lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Daher plädiert Ferstl für eine geschlechtersensible Sprache. "Es gibt da viele Optionen. Vielleicht hat sich das in zehn Jahren so eingespielt, dass es natürlich wirkt."

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