Eine Datenbank für alle Patienten

Potsdam · Das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut schlägt einen zentralen Speicher für Gesundheitsdaten in Deutschland vor.

 Bei medizinischen Behandlungen fallen große Mengen Daten an. Wenn sie in einem zentralen Internetspeicher, der sogenannten Gesundheitscloud, gespeichert würden, ließe sich die medizinische Versorgung deutlich verbessern, erklärt das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. Foto: dpa

Bei medizinischen Behandlungen fallen große Mengen Daten an. Wenn sie in einem zentralen Internetspeicher, der sogenannten Gesundheitscloud, gespeichert würden, ließe sich die medizinische Versorgung deutlich verbessern, erklärt das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. Foto: dpa

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Das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam will das Gesundheitssystem in Deutschland mit einer technologischen Neuerung umkrempeln. Im Mittelpunkt eines Vorschlags seines Geschäftsführers Professor Christoph Meinel steht die sogenannte Gesundheitscloud, ein zentraler Datenspeicher im Internet, dem Patienten ihre Arztunterlagen und Krankenakten in digitaler Form anvertrauen können. Das Modell soll die medizinische Versorgung in Deutschland gleichzeitig besser und billiger machen.

Doch dieses Thema ist heikel. Medizinische Daten sind im Internet das empfindlichste Gut überhaupt. Und sogenannte Clouddienste, die heute von allen großen Anbietern der Branche offeriert werden, sind in Deutschland schlecht beleumundet. Nur die Hälfte der Internet-Nutzer greift hierzulande darauf zu. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Convios. Die Zurückhaltung hat unter anderem mit den Bedenken der Nutzer zu tun, Daten in die Hände von US-Anbietern zu geben.

Der Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts hält dagegen. "Technisch gesehen ist die Cloud sicher", sagt Christoph Meinel. Die Nutzer solcher Datenspeicher müssten sich aber darüber im Klaren sein, dass diese Technologie nun einmal teuer ist. Anbieter, die für die Nutzung kein Entgelt verlangen, "finanzieren sich dann eben über die Vermarktung der Daten". So etwas komme bei einem Speichersystem für Gesundheitsdaten natürlich nicht in Frage. "Hier ist der Patient der Herr seiner Daten", erklärt Meinel. "Kein Fremder kommt an diese Informationen ohne seine ausdrückliche Zustimmung heran." Darüber wachen solle eine eigens zu gründende Gesellschaft, die von der Hasso-Plattner-Stiftung getragen wird und den Datenspeicher auch finanziert. "Das ist eine Einrichtung, der die Nutzer vertrauen werden", ist Meinel überzeugt.

Der Vorstoß des Potsdamer Informatik-Instituts zielt darauf ab, Bewegung in ein Thema zu bringen, das von den Experten mit dem Fachausdruck "Digital Health" bezeichnet wird. Digitale Technik zur Verwaltung medizinischer Daten wird immer wichtiger. Denn die personalisierte Medizin der Zukunft, die Ärzten zum Beispiel viel präzisere Therapien als heute ermöglicht, sorgt für rasant steigende Datenmengen.

Medizinische Informationen werden heute in isolierten Speichern abgelegt, die nicht untereinander verbunden sind und oft auch nicht verbunden werden dürfen. Hier bremse der Datenschutz den medizinischen Fortschritt aus, kritisiert Meinel. "Ein breiterer Datenvergleich würde bessere Forschung, bessere Diagnosen, bessere Therapien und Medikamente ermöglichen", erklärt der HPI-Chef.

Als ein Beispiel nennt er dabei die Krebsforschung. "Hier könnte die Zusammenführung und breite Analyse der Daten die Situation in Deutschland deutlich voranbringen, doch der Datenschutz blockiert." Das soll die Gesundheits-cloud ändern. Dort sollen "mündige Patienten kontinuierlichen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten erhalten und souverän über deren Nutzung entscheiden können", formuliert das HPI in einer Pressemitteilung. Das heiße konkret, dass jeder Nutzer der zentralen Datenbank entscheiden könne, welchem Krankenhaus, welchem Arzt und welcher Gesundheits-App er in welchem Umfang Zugang zu seinen höchstpersönlichen Informationen einräumen wolle, erklärt der HPI-Chef. In einem Datenspende-Ausweis könne ein Nutzer darüber hinaus zum Beispiel auch festlegen, ob er seine Daten anonym für medizinische Forschungsprojekte zur Verfügung stellt. In einer alternden Gesellschaft, in der immer mehr Menschen die Betreuung ihrer dementen Eltern übernehmen müssen, könne die Gesundheitscloud eine wertvolle Hilfe sein, die Fehlbehandlungen vermeide.

Auch auf unnötige Mehrfachuntersuchungen könne dank der Informationen dieses Internet-Datenspeichers häufiger verzichtet werden. Die Arzneimittelforschung werde profitieren, denn der riesige Datenspeicher ermögliche einen umfassenden Vergleich unterschiedlicher Behandlungen. Und Ärzten könne diese Technik helfen, die neuesten medizinischen Erkenntnisse in die Behandlung ihrer Patienten einfließen zu lassen.

Doch nicht nur unter Patienten, sondern auch unter Medizinern gilt das Thema Cloud-Computing als heikel. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung empfiehlt ihren Mitgliedern bisher jedenfalls, keine Patientendaten in einem Datenspeicher des Internets abzulegen. Nur für die Archivierung älterer Datenbestände komme diese Technik in Betracht.

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