Bedenken gegen Ausweitung der Online-Überwachung werden laut

Köln/Berlin · Bürgerrechtler warnen vor einer Verschärfung der Online-Überwachung in Ermittlungsverfahren. Die Bundesregierung wolle kurz vor Ende der Legislaturperiode noch Online-Durchsuchung und Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung verankern, erklärten sechs Organisationen, darunter das Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Beides seien schwerste Grundrechtseingriffe.

Bei einer Online-Durchsuchung durchsuchen Ermittlungsbehörden mit Hilfe von heimlich eingeschleusten Porgrammen den kompletten Inhalt von Computern oder Smartphones. Bei der Telekommunikationsüberwachung installieren die Ermittler ähnliche Spionage-Programme, die beispielsweise Internet-Telefonate via Skype aufzeichnen, noch bevor diese verschlüsselt werden können.

Die Bürgerrechtler beziehen sich auf einen Änderungsantrag der Bundesregierung zu einem Gesetzentwurf, mit dem unter anderem die Strafprozessordnung an mehreren Stellen geändert werden soll. Das Dokument betrifft unter anderem die Einführung der beiden Untersuchungsmethoden in die Strafprozessordnung.

Die Koalitionsfraktionen hätten die Verschärfung über den Änderungsantrag in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht, erklärten die Bürgerrechtsorganisationen. "Innerhalb weniger Wochen und ohne jede öffentliche Debatte, ohne Möglichkeiten der Beteiligung der Zivilgesellschaft soll einer der intensivsten Grundrechtseingriffe, der der Polizei überhaupt gestattet ist, zum Gesetz gemacht werden."

Nach Angaben eines Sprechers des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sind die Online-Überwachungsmethoden per Gesetz bereits zur Abwehr von Gefahren wie Terroranschlägen erlaubt. Sollten sie in die Strafprozessordnung aufgenommen werden, könnten sie nach richterlicher Anordnung künftig auch in bestimmten Ermittlungsverfahren zum Einsatz kommen. Dem Entwurf zufolge beträfe das unter anderem Mord und Totschlag, schwere Fälle von Kindesmissbrauch und Vergewaltigung, aber auch die gewerbs- oder bandenmäßige Verleitung zum Missbrauch von Asylleistungen, das Einschleusen von Ausländern sowie schwere Fälle von Drogenhandel.

Die Bürgerrechtsorganisationen kritisieren, dass der Änderungsantrag die Online-Überwachung schon bei "Straftaten der mittelschweren Kriminalität" erlaube. Damit setze sich die Bundesregierung über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinweg. Die Karlsruher Richter hatten die Online-Durchsuchung 2008 nur dann für zulässig erklärt, wenn Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr "für ein überragend wichtiges Rechtsgut" vorliegen.

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