Umfrage zu Crowdworking Die Sklaven des digitalen Zeitalters

Nürnberg/München · Mit dem Clickworking entwickelt sich ein paralleler Arbeitsmarkt im Internet, kritisieren die Gewerkschaften.

 Mit kleinen Aufgaben lässt sich zwar über das Internet Geld verdienen. Um über die Runden zu kommen, ist das meist zu wenig.

Mit kleinen Aufgaben lässt sich zwar über das Internet Geld verdienen. Um über die Runden zu kommen, ist das meist zu wenig.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

(dpa/SZ) Am heimischen Computer oder mit dem Smartphone Geld verdienen? Das ist heutzutage möglich und wird als Click- oder Crowdworking bezeichnet. Hinter dem Begriff steckt eine Arbeitsform, bei der ein Mensch kleine Aufgaben erledigt, die eine Maschine nicht erledigen kann, die ihm über eine Internetplattform zugewiesen wurden. Oft werden diese Aufgaben nur mit einem sehr kleinen Betrag vergütet. Manchmal, aber nicht immer, lassen sich die Aufgaben zu Hause am Rechner erledigen.

Beim Crowdworking bieten Unternehmen Aufträge über Online-Plattformen an. Auf der jeweiligen Plattform registrierte Arbeiter schauen sich das Angebot an und bewerben sich bei Interesse. Wer den Job bekommt, entscheidet der Auftraggeber. Damit dieser eine Wahl treffen kann, gibt es bei einigen Plattformen ein Bewertungssystem. Ein Unternehmen kann also prüfen, wie zufrieden ehemalige Auftraggeber mit dem jeweiligen Arbeiter waren.

Manche der Plattformen vermitteln oder organisieren vor Ort zu erbringende Dienstleistungen wie etwa Haushüter-Dienste oder Kurierfahrten. Andere geben Jobs in Auftrag, die mit Smartphone oder PC zu erledigen sind. Zum Beispiel Preise für Produkte in einem Geschäft ablesen und in eine Datenbank eingeben. „Zu finden sind aber auch Aufträge, bei denen es um komplexere Aufgaben geht“, sagt Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Das können etwa Übersetzungs-, Programmier- oder Beratungstätigkeiten sein.

Das Crowdworking auch Plattformarbeit genannt, ist laut einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Umfrage in Deutschland verbreiteter als bisher angenommen. Der Erhebung zufolge verdienen 4,8 Prozent der Bundesbürger ab 18 Jahren auf diese Weise zumindest einen Teil ihres Einkommens.

Rund ein Drittel der Crowdworker arbeitet mehr als 30 Stunden pro Woche Aufgaben ab, die eine Plattform vermittelt hat, 24 Prozent sogar mehr als 40 Stunden. Für sie ist das Crowdworking also kein Nebenjob. Insgesamt 40 Prozent der Plattformarbeiter verdienen laut Ministerium über 1000 Euro pro Woche.

Weiter hält die Untersuchung fest, dass 58 Prozent der Crowdworker 40 Jahre und älter sind. Diese Arbeitsform finde sich vermehrt in den Großstädten, vor allem in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Weiter heißt es, die Arbeitsform sei im Osten und Norden Deutschland besonders verbreitet. Der Erhebung zufolge haben 64 Prozent der Plattformarbeiter Abitur, während 24 Prozent nach neun oder zehn Jahren die Schule abgeschlossen haben.

Laut dem deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) haben solche Arbeitsformen weltweit an Bedeutung gewonnen. Das machen die Gewerkschafter unter anderem an milliardenschweren Unternehmen wie Uber fest. Der US-amerikanische Dienstleister vermittelt private Taxifahrten und ist an der Börse inzwischen mit einem Wert von 75 Milliarden US-Dollar notiert.

Digital organisierte Arbeit könne für Erwerbstätige zwar Vorteile bieten, zum Beispiel flexiblere Arbeitsmöglichkeiten, sagt der Gewerkschaftsbund. Gerade im Bereich Dienstleistung arbeiteten Crowdworker jedoch oft unter schlechten Bedingungen. Denn die Betreiber der Plattformen behaupteten, diese Tätigkeit begründe kein Arbeitsverhältnis. Sie bezeichnen sich meist weder als Arbeitgeber noch als Auftraggeber oder als Arbeitsvermittler. Die Betreiber entgehen damit nicht nur der Sozialabgabenpflicht, sondern umgehen auch die Arbeits-, Sozial- und Mitbestimmungsrechte von Angestellten, erläutert der DGB.

Diese Geschäftsmodelle seien umstritten. Online-Lieferdienste hätten inzwischen jedoch anerkennen müssen, dass sie für ihre Lieferanten Arbeitgeber sind. Doch bleibe die Frage nach dem Status von Erwerbstätigen der Plattformen ungeklärt.

Ungesicherte Arbeitsplätze bieten auch neue Anbieter über Online-Plattformen an. Sie beauftragen Crowdworker damit, E-Scooter einzusammeln und aufzuladen. „Wir brauchen faire Regeln für Plattformarbeit, denn hier wird die Digitalisierung in weiten Teilen missbraucht, um prekäre Arbeit zu organisieren“, sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

In der Regel gelten Crowdworker als Selbstständige, entweder neben- oder hauptberuflich. Auch, wenn die Arbeitsbedingungen in der Praxis teils mit selbstständiger Tätigkeit wenig zu tun haben und die Arbeiter wirtschaftlich nicht selbstständig sind. Wo die Grenzen zu ziehen sind, das sei gerichtlich bislang nicht geklärt.

Der DGB fordert, dass sich das ändern soll. „Auch bei digital organisierter Arbeit sollen grundsätzlich nur diejenigen arbeits- und sozialrechtlich als Selbstständige gelten, die im wirtschaftlichen Sinne auch wirklich unabhängig sind“, sagen die Gewerkschaftler. Plattformbeschäftigte sollen auch in der Lage sein, die Arbeitsbedingungen verhandeln zukönnen.

(dpa)
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