„Im Blindflug unterwegs“

Die Zahl der Unfälle wegen der Nutzung des Handys am Steuer steigt. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hilft dagegen nur eine höhere Kontrolldichte. Auch müsse eine Beschlagnahmung von Handy nach Unfällen erwogen werden, so Wendt im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Wendt, ist die Handynutzung während der Fahrt inzwischen so etwas wie Volkssport?

Wendt: Ich sage: Die Handynutzung am Steuer ist zu einem dramatischen Problem geworden. Die Leute sind leichtsinnig und ignorieren, dass sie im Blindflug unterwegs sind, wenn sie während der Fahrt telefonieren oder SMS schreiben.

Hilft eine Freisprechanlage?

Wendt: Selbst derjenige, der eine Freisprecheinrichtung benutzt, ist in der Regel so sehr von dem Gespräch in Anspruch genommen, dass ihm die Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr fehlt. Diese Leute fahren dann an Ausfahrten vorbei oder missachten Verkehrsregeln. Ich bin mir sicher, dass die Statistik mit Blick auf die Unfallursache Handy oder Smartphone sehr ungenau ist. Denn man kann hinterher kaum noch feststellen, ob ein Verkehrsteilnehmer vor einem Unfall gesimst oder telefoniert hat.

Das heißt, die Polizei ist machtlos?

Wendt: Machtlos würde ich nicht sagen. Aber die Beweisführung ist erheblich erschwert allein dadurch, dass viele Leute in großen Autos sitzen und wir nicht sehen können, wer da was macht. Das Telefonieren oder Simsen ist übrigens ein reines Kontrolldelikt. Wer erwischt wird, bekommt ein saftiges Bußgeld von 40 Euro und einen Punkt in Flensburg.

Was halten Sie davon, wenn die Polizei verstärkt Handys nach Unfällen beschlagnahmt und dann kontrolliert? In Köln ist das versucht worden.

Wendt: Da halte ich sehr viel von. Weil es für die Unfallforschung sehr wichtig ist und dadurch die Schuldfrage einwandfrei geklärt werden könnte. Ein solches Vorgehen scheitert aber regelmäßig an der Verhältnismäßigkeit. Zumindest bei kleineren Unfällen.

Kann der Gesetzgeber etwas tun?

Wendt: Es wird ja schnell nach härteren Strafen gerufen. Beim Handy-Problem ist aber etwas anderes sinnvoll: Dieses Delikt können wir nur mit mehr Personal bekämpfen. Die Kontrolldichte im Straßenverkehr muss verbessert werden. Durch Beobachtung des Straßenverkehrs, durch das Anhalten, durch die Ahndung von Verstößen und die Verkehrsbelehrung. Wenn jetzt zum Beispiel wie in Ostdeutschland wieder 30 Prozent der Planstellen gestrichen werden sollen, dann ist das der falsche Weg.

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